Werder Karl (1878–1955)
Karl Werder-Müller war ein Chamer Mechaniker, Transportunternehmer und Detailhändler, der aufgrund der Milchsüdi nach Cham kam. Er war auch im Rabattverein, im Kirchenrat und in der Musikgesellschaft Cham aktiv.
Stationen
1878 Karl Werder kommt am 28. November in Bad Geisshubel in Rothrist AG zur Welt. Sein Vater Josef ist ein einfacher Maurer- und Gipserarbeiter, seine Mutter Elise, geborene Bühler, hilft als Seidenweberin mit, den Haushalt über Wasser zu halten. [1]
1887 Die Familie zieht in ihren Bürgerort Steinhausen, wo der kleine Karl aufwächst. [2]
1892 Karl ist jetzt 14 Jahre alt und tritt als Arbeiter in die Chamer Anglo-Swiss Condensed Milk Company ein. Sein Stundenlohn beträgt 15 Rappen. Täglich marschiert er von Steinhausen durch das Gebiet Sumpf an seinen Arbeitsplatz in der «Milchsüdi». Er wird zum Heizer und Maschinisten ausgebildet. [3]
1900 Als begeisterter Musiker wird Werder Mitglied gleich von zwei Musikvereinen: Bei der Musikgesellschaft Steinhausen und bei der Musikgesellschaft Cham. Sechs Jahre bleibt er bei den Steinhausern, 24 Jahre bei den Chamern, davon 17 Jahre im Vorstand und drei Jahre als Präsident. Kein Wunder, wird er zum Ehrenmitglied ernannt. [4]
1905 Werder, mittlerweile 27-jährig, heiratet Anna-Helena Müller (1878–1956). Sie ist die Tochter von Schuhmachermeister Alois Müller und Maria Arnold. [5] Das junge Ehepaar bezieht eine Wohnung in der alten Post an der Rigistrasse (in der Anna-Helena zur Welt gekommen und aufgewachsen ist und die 1924 abbrennt). Auch sie arbeitet in der Chamer Milchsüdi.
1908 Der erste Sohn, Hans (1908–1973), kommt zur Welt.
1914 Im Ersten Weltkrieg dient Karl Werder im Aktivdienst als Tambour. Aufgrund des Militärdienstes ist er häufig ortsabwesend.
1916 Der zweite Sohn, Karl junior (1916–1973), erblickt das Licht der Welt.
1920 Das Ehepaar kann die Liegenschaft Knonauerstrasse 7 erwerben. Im Hochparterre führen sie einen Laden für Kolonialwaren. Allerdings arbeitet Karl weiterhin bei der Milchsüdi.
1923 Die Schweizerischen Bundesbahnen SBB schreiben den Auftrag einer örtlichen Bahncamionnage für die Feinverteilung von Gütern ab dem Bahnhof Cham aus. Karl Werder bewirbt sich darum und erhält den Auftrag. Der Besitz eines Fahrzeugs ist für die Ausschreibung nicht vorgeschrieben, ist jedoch im Vertrag als Auflage enthalten. Werder, der neue SBB-Camionneur, erwirbt einen Kleinlaster, vermutlich einen Ford der Serie 30-AA-Truck. Daneben wirkt er noch immer bei der Milchsüdi und hilft im Laden seiner Frau. Noch nicht genug: Karl Werder-Müller gründet mit Lebensmittelhändler Fridolin Wolf-Rohner (1861–1940) und Eisenwarenhändler Edmund Locher (1877–1953) den Rabattverein Cham. Werder wird 1939 Präsident des Rabattvereins und bleibt in diesem Amt bis 1947. [6]
Die Mineralwasserhandlung Matter geht in Konkurs. Karl und Anna-Helena Werder-Müller erwerben die Firma aus der Konkursmasse und bauen neben dem Kolonialwarengeschäft auch einen Mineralwasserhandel auf.
1927 Die Chamer Milchsüdi ist in der Krise, Werder schaut sich nach neuer Arbeit um. Er wird Hilfsarbeiter im Zimmereibetrieb Muggli und schliesslich Bauarbeiter im Baugeschäft von Emilio Reggiori (1887–1978). [7]
1937 Karl Werder-Müller übergibt einen Teil des Geschäfts – den körperlich anstrengenden Kohlenhandel – seinem Sohn Hans Werder-Häfner (1908–1973). [8]
1941 Am 23. November wird Karl Werder-Müller in den Kirchenrat der Kirchgemeinde Cham-Hünenberg gewählt. Er übernimmt dort den Bereich Finanzen (bis 1953). [9]
1942 Trotz Zweitem Weltkrieg und Benzinknappheit kauft Werder-Müller einen grösseren Lastwagen. Es handelt sich um einen Ford Wehrmacht LKW G995, ausgerüstet mit einem 3,9 Liter-Benzinmotor und 95 PS. [10]
1944 Der Lastwagen Werders wird von der Armee requiriert. Anstelle des Lastwagens stellt man Werder ein Pferd mit Wagen zur Verfügung. [11]
1951 Das Geschäft wird den beiden Söhnen übergeben: Hans Werder-Häfner (1908–1973) übernimmt das ganze Transportunternehmen mit der Kohlenhandlung, Karl Werder-Scherer (1916–1973) die Post- und Bahncamionnage, das Kolonialwarengeschäft sowie das Bier- und Mineralwasserdepot an der Knonauerstrasse 7. [12]
1955 Karl Werder-Müller feiert am 2. September die goldene Hochzeit. Rund zwei Monate später stirbt er am 30. Oktober. Er wird 77 Jahre alt. [13]
Anekdoten
1940 muss Werder den Hausrat von Pfarrer Josef Muff (1905–1994) von Luzern nach Cham zügeln. Mit dabei ist auch ein sehr schweres Hochklavier. Der Pfarrer ist beim Umzug anwesend, was das Zügeln des schweren Pianos insofern erschwert, weil in Anwesenheit von Hochwürden nicht geflucht werden darf. [14]
Werders Lastwagen wird 1944 von der Armee requiriert. Anstelle des Lastwagens wird Werder ein Pferd mit Wagen zur Verfügung gestellt. Werder hat keine Ahnung von Pferdefuhrwerken und kann damit unmöglich seine Post- und Bahntransporte durchführen. Deshalb tauscht Karl Werder junior (1916–1973) nachts das Pferdefuhrwerk gegen seinen Lastwagen aus. Es dauert nur wenige Stunden, bis die Heerespolizei an der Knonauerstrasse 7 erscheint: Werder junior wird verhaftet und eine Woche lang in die Arrestzelle im Spritzenhaus am Rigiplatz gesperrt. [15]
Dokument
Aus Anlass der Goldenen Hochzeit von Karl Werder und Anna Müller verfasst Basil Gretener (1886–1959) eine Rede, September 1955
Einzelnachweise
- ↑ Werder, Charly, Wer? der Charly, Familienchronik über drei Generationen mit angegliederter Biografie und illustren Kurzgeschichten zum Zeitgeschehen der vergangenen 170 Jahre, Cham 2017, S. 10
- ↑ Zugersee-Zeitung, 04.11.1955
- ↑ Vgl. Anmerkung 1 (Werder), S. 12
- ↑ Vgl. Anmerkung 1 (Werder), S. 11
- ↑ Vgl. Anmerkung 1 (Werder), S. 9
- ↑ Vgl. Anmerkung 1 (Werder), S. 14, 17
- ↑ Vgl. Anmerkung 1 (Werder), S. 13
- ↑ Vgl. Anmerkung 1 (Werder), S. 14
- ↑ Staatsarchiv Zug, Zuger Personen- und Ämterverzeichnis [Stand: 01.03.2024]
- ↑ Vgl. Anmerkung 1 (Werder), S. 48
- ↑ Vgl. Anmerkung 1 (Werder), S. 48
- ↑ Zugersee-Zeitung, 27.04.1951
- ↑ Vgl. Anmerkung 1 (Werder), S. 9, 55
- ↑ Vgl. Anmerkung 1 (Werder), S. 50
- ↑ Vgl. Anmerkung 1 (Werder), S. 48