Schnurrenberger Walter (1911–1962)

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Portrait von Schnurrenberger Walter (1911–1962)
Portrait von Schnurrenberger Walter (1911–1962), 1950

Vorname: Walter
Nachname: Schnurrenberger
Geschlecht: männlich
Geburts­datum: 29. September 1911
Geburt­sort: Cham ZG
Todes­datum: 30. April 1962
Todes­ort: Cham ZG
Beruf: Maurer, Musiker, Musiklehrer
Religion: evangelisch-reformiert

Walter Schnurrenberger gab trotz schwerster körperlicher Behinderung Hunderten von Schülerinnen und Schülern Musikunterricht, als es in Cham noch keine Musikschule gab. Während 11 Jahren war er auch Präsident der Sektion Zug des Schweizerischen Invalidenverbandes.



Walter Schnurrenberger mit Neffen und Nichte im Invalidenwagen, 1935
Walter beim Notenschreiben, 1952
Annemarie Knecht, Erika Sidler und Walter Schnurrenberger beim Musizieren, 1944
Walter mit Flötengruppe, 1942
Walter Schnurrenberger und Emilie Sidler, 1952
Zentenarfeier Zug vorne in der Mitte Ruedi Sidler, 1952


Stationen

1911 Walter kommt am 29. September als fünftes Kind der Familie Schnurrenberger-Baumgartner zur Welt. Sein Vater ist Julius (1876–1947), der in Cham musikalisch sehr aktiv ist. [1]

1926 Nach den Schulen in Cham beginnt Walter Schnurrenberger eine Lehre als Maurer bei der Chamer Baufirma E. Reggiori + Co.

1927 Der Maurerlehrling Walter Schnurrenberger erleidet einen folgenreichen, schlimmen Unfall. Beim Bau des Hauses seiner Schwester Emma (1903–1971) an der Hünenbergerstrasse 12 passiert es: Er fällt beim Aufräumen vom Gerüst auf das Blechdach der Terrasse über der Werkstatt und wird durch eine Rückenverletzung querschnittgelähmt.

1928 Neun Monate liegt der junge Mann im Asyl Cham (heute Andreasklinik) und die Ärzte geben ihm kaum Überlebenschancen. Der Traum von einer gemeinsamen Baufirma mit Bruder Max ist damit beendet. Einige Monate verbringt er im Spital Affoltern am Albis ZH und sechs Monate im Balgrist-Spital Zürich, wo er das Knüpfen von Smyrna-Teppichen erlernt. Daneben liegt er aber während langen drei Jahren mehrheitlich zu Hause im Bett. Er knüpft Teppiche und, weil er nicht mehr die Kraft hatte, Trompete zu spielen, übt er mit verschiedenen Blockflöten, liest viel und bildet sich in der Musik weiter. [2]

1930 Seine Mutter versucht wiederholt, ihn mit der Hilfe von zwei Krücken unter den Armen aufzurichten – was schliesslich auch gelingt. Deshalb bittet sie die SUVA, für Walter ein Korsett aus Leder mit Stahlschienen und Stahlgelenken anzufertigen, mit dem seine Beine und Füsse fixiert werden können, was ihn dann mit der Kraft des Oberkörpers ermöglicht, sich aufrecht zu bewegen. Walter nennt es seinen «Apparat», der aber seinen Körper anfänglich oft wundscheuert. Doch aufzugeben, ist für den willensstarken jungen Mann keine Option! Später bekommt er auch noch einen Dreirad-Invalidenwagen, den er über lange Hebel mit den Armen fahren und steuern kann.

Walter ist dankbar für seine neue Beweglichkeit, versucht sogar bei den Hausarbeiten zu helfen, knüpft Teppiche, schreibt Noten für die Musikgesellschaft Cham und lernt von seinem Vater, wie man Kinder für den Musikunterricht begeistert. Ein Musikprofessor aus Zürich lässt es sich nicht nehmen, ihn auch noch im Geigenspiel zu unterrichten.

1935 Am 7. März stirbt Walters Mutter Anna, die sich grosse Sorgen machte wegen der künftigen Pflege ihres Sohnes. Die im gleichen Haus wohnenden Familienangehörigen helfen sich gegenseitig.

1939 Rotkreuz-Schwester Emilie Sidler aus Ottenbach ZH übernimmt die Stelle bei der reformierten Kirche als Krankenschwester für die Gemeinden Cham, Steinhausen, Risch, Hünenberg und Meierskappel. Sie hilft der Familie Schnurrenberger äusserst aktiv und liebevoll bei der Pflege von Walter. [3]

1940 Der Musikunterricht wird zu einer Lebensaufgabe von Walter. Er liebt einen geordneten Tagesablauf und unterrichtet bald über 100 Schülerinnen und Schüler, vor allem in Blockflöte. Trotz seiner grossen Behinderung bleibt er zufrieden, fröhlich und unternehmungslustig. [4]

1944 Das mehrstimmige Zusammenspiel ist Walter Schnurrenberger wichtig, und dafür schreibt er auch die entsprechenden Noten. Mit seinem Blockflöten-Orchester gibt er sogar kleine Konzerte bei Kranken oder Bekannten.

1948 Die Rotkreuz-Krankenschwester Emilie Sidler zügelt an die Schluechtstrasse 6, um Walter morgens und abends zu helfen, seinen «Apparat» zu montieren und ihn somit für den Tag beweglich zu machen. [5]

1951 Am 17. Juni findet die Gründungsversammlung der Sektion Zug des Schweizerischen Invalidenverbandes (SIV) im Restaurant Schiess statt. Walter Schnurrenberger wird zum ersten Präsidenten gewählt. [6] Die Schluechtstrasse 6 ist bereits ein Zentrum für Musikschüler und wird nun auch zur Anlaufstelle für Rat suchende Behinderte, wobei viele von ihnen bedeutend weniger Einschränkungen zu bewältigen haben als Walter. Er hat aber für jeden Zeit. Schwester Emilie unterstützt ihn dabei so gut das neben der Arbeit als Gemeindeschwester überhaupt möglich ist.

1952 An der Zuger Zentenarfeier (Beitritt des Standes Zug in die Eidgenossenschaft 1352) macht das Blockflötenensemble Schnurrenberger am Umzug mit. [7]

1962 Am 30. April stirbt Walter Schnurrenberger unerwartet an einem Hirnschlag zu Hause in Cham. [8] Bis zu seinem Ableben hat er für die Zuger Sektion des Schweizerischen Invalidenverbandes 159 Vorstands- und Kommissionssitzungen in seiner Wohnung geleitet, und dort auch unzähligen Mitgliedern geholfen, rechtliche Probleme zu lösen und ihren eigenen Weg zu finden. [9]


Würdigung

Es ist bemerkenswert, wie Walter Schnurrenberger seiner Behinderung trotzte und das Beste daraus machte. Oder wie es damals in der Zeitung hiess: «Er bewies in seinem leidvollen Leben, dass auch ein schwacher Körper mit grossem Geist ein wertvolles Glied der menschlichen Gesellschaft werden kann.» [10] Neben der aufwändigen Arbeit für den Invalidenverband gibt Schnurrenberger täglich nicht nur Unterricht in Sopran- und Altblockflöte sowie Violine, sondern auch für Instrumente wie Querflöte oder Trompete, die er gar nicht mehr spielen kann, aber bestens weiss, wie man sie blasen oder greifen muss. Sobald aber seine Schüler die musikalischen Basiskenntnisse beherrschen, empfiehlt er ihnen geeignete, spezialisierte Musiklehrer. [11]

Einzelnachweise

  1. Der Eintrag basiert weitgehend auf: Familiengeschichte Schnurrenberger, aufgezeichnet von seiner Nichte Erika Zweifel-Sidler, August 2018
  2. Familiengeschichte Schnurrenberger, aufgezeichnet von seiner Nichte Erika Zweifel-Sidler, August 2018
  3. Erinnerungen der im gleichen Haus wohnenden Familie Knecht-Schnurrenberger, zusammengetragen von August Sidler, August 2018
  4. Familiengeschichte Schnurrenberger, aufgezeichnet von seiner Nichte Erika Zweifel-Sidler, August 2018
  5. Erinnerungen der im gleichen Haus wohnenden Familie Knecht-Schnurrenberger, zusammengetragen von August Sidler, August 2018
  6. Baumann, Rita / Matt, Christa von, 50 Jahre SIV-Zug, aus der Geschichte des Schweizerischen Invalidenverbandes Sektion Zug, Hagendorn 2001
  7. Erinnerung und Foto von Neffe Ruedi Sidler, Cham, August 2018
  8. Zugersee-Zeitung, 04.05.1962
  9. Baumann, Rita / Matt, Christa von, 50 Jahre SIV-Zug, aus der Geschichte des Schweizerischen Invalidenverbandes Sektion Zug, Hagendorn 2001
  10. Zugersee-Zeitung, 04.05.1962
  11. Erinnerung von Neffe Ruedi Sidler, Cham, August 2018