Hirsgarten

Aus Chamapedia

Die Halbinsel St. Andreas um 1910; im Vordergrund der Hirsgarten mit der Badeanstalt

Auf dem Plan der Städtlerallmend von Jakob Joseph Clausner (1744–1797) (Kopie von Franz Leonz Bonaventura Landtwing (1751–1839)) ist der Hirsgarten («Hirß Garten») etwas nördlich der heutigen Parkanlage eingezeichnet, 1788
Eine Aufnahme aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg mit der Villette im Vordergrund, dahinter der Hirsgarten und das Schloss St. Andreas
Der Hirsgarten mit der ersten «schwimmenden Badeanstalt» während eines Föhnsturms im Juli 1932
Auf der Aufnahme vor dem Seebad Hirsgarten ist Agnes Zahner-Feierabend (1916–1996) zu sehen, die bei Elektriker August Sidler (1896–1983) im Haushalt arbeitete, mit Sidlers Töchtern Elfriede (*1925) und Erika (*1930), undatiert (um 1934)
Vor der Eröffnung der Fussballanlage im Eizmoos 1965 trainieren die Spieler des SC Cham oft auch am Zugersee
Luftaufnahme Hirsgarten, Lorzenausfluss und Villette, 2004
Der nördlichste Teil des Hirsgartens mit der Villette-Brücke, 2018


Die Hirse wurde in Cham bereits im Spätmittelalter angebaut. Sie gab auch einer seit dem frühen 20. Jahrhundert bestehenden Parkanlage am Lorzenausfluss ihren Namen: dem Hirsgarten. Der grosse Garten am Zugersee ist ein beliebtes Begegnungs- und Festareal. Viele grosse und auch kleinere Ereignisse wie Fussball- und Beachvolleyball-Turniere, das Kinderfest des Vereins ZUKI, die offizielle Bundesfeier am Ersten August oder das Finale des alle zwei Jahre stattfindenden Räbeliechtiumzugs ... die verkehrsfreie Lage und die atemberaubend schöne Aussicht auf den See und die Innerschweizer Berglandschaft machen den weitgehend freigehaltenen Hirsgarten zu einem einzigartigen und für alle zugänglichen Raum.


Chronologie

1417 Nördlich der Halbinsel St. Andreas bis etwa ins Gebiet des heutigen Zentrums Neudorf ist der Flurname Hirsgarten seit dem frühen 15. Jahrhundert immer wieder in Schriftquellen nachweisbar. Der nördlichste Teil wird im 17. und 18. Jahrhundert auch innerer Hirsgarten genannt. [1]

1883 Um die Fläche am Zugersee besser nutzen zu können, verlocht die Anglo-Swiss Condensed Milk Company ausgediente Kondensierkessel. Die Einwohnergemeinde Cham streitet mit David Steven Page (1844–1903) um Ausladerechte an der Lorze; trotzdem tritt dieser der Gemeinde ein Stück Riedland ab: der heutige Hirsgarten. Gemeindepräsident Hieronymus Baumgartner (1850–1929) lässt das Gelände auffüllen und eine Quaimauer bauen (was ihm den Vorwurf einträgt, er verschleudere Steuergelder). Der Kanton nutzt die neue Fläche am See umgehend als Ablageplatz für Schutt- und Baumaterial aus dem gemeindlichen und kantonalen Strassenbau. Als die Chamer dafür Gebühren erheben wollen, kommt es erneut zu Rechtsstreitigkeiten. [2]

1899–1905 Nach dem Tod von George Ham Page (1836–1899) kann die Gemeinde 48'500 Quadratmeter südlich der Bahnlinie erstehen. Davon verkauft die Gemeinde 1905 28'200 Quadratmeter an George's Ehefrau Adelheid Page-Schwerzmann (1853–1925).

1907–1910 Der Bau der Seestrasse mit der Bahnunterführung neben dem Lorzenausfluss macht den Park besser zugänglich. [3]

1904 Baumeister Hans Miesch (1880–1941) entwirft ein spektakuläres Projekt für die Neugestaltung des Gebietes östlich des Lorzenausflusses: Die Vision besteht aus einer grosszügigen Gartenanlage mit einem «St. Andreasplatz» und einem Brunnen beim heutigen Hirsgartenpark, einer «Villencolonie St. Andreas» mit neun Liegenschaften am westlichen Abhang gegen das Schloss St. Andreas sowie aus einer Badeanstalt und einer Schiffswerft am Seeufer. Die ambitionierten Pläne werden nicht umgesetzt. [4]

1906 Der Zuger Regierungsrat gestattet dem Chamer Gemeinderat den Bau einer Schiffstation zum Landen des Dampfschiffs. [5] Doch im Sommerfahrplan sucht man fahrplanmässige Halte in Cham weiterhin vergebens. [6] Dafür finden neu erste Sonntags- und Festtagsfahrten statt, welche die Haltestelle Cham ansteuern.

1908 Baumeister Miesch errichtet eine öffentliche Badeanstalt. Der Holzbau liegt auf Schwimmkörpern im See und ist durch bewegliche Eisenbrücken mit dem Ufer verbunden. [7]

1910 Am 14. Juni wird der «Football-Club Cham», der erste Fussballclub des Kantons, gegründet. Der Hirsgarten ist das erste Trainingsgelände. Die Spieler bringen die Torstangen selber mit. [8]

1916/1917 Mitten im Ersten Weltkrieg finden im «Areal der Badeanstalt», also im Hirsgarten, Fussballturniere mit Sechsermannschaften statt. Beide Male geht der FC Cham als Turniersieger vom Feld. Bis zur Saison 1920/1921 wird zumindest saisonal im Hirsgarten weiter trainiert. [9]

1942 Im Zweiten Weltkrieg wird im Rahmen der Anbauschlacht auch im Hirsgarten eine grosse Landfläche bepflanzt und für die Nahrungsmittelproduktion genutzt. [10]

1948/1949 Das Einwohnergemeinde Cham kauft 1948 den östlichen Teil des Villetteparks. 1949 schreibt sie ein öffentlichen Wettbewerb zur Seeufergestaltung aus. Der Zuger Architekt Hans Anton Brütsch (1916–1997) gewinnt den Wettbewerb. Brütsch plant einen Festplatz und ein Freilichttheater im Süden des Hirsgartens; Fussball-, Turn- und Badeanlagen in der Seematt, Bootshäuser nördlich der Eisenbahnbrücke sowie eine Brücke über die Lorze. Realisiert wird 1949 nur die Bogenbrücke zwischen Villettepark und Hirsgarten. [11]

1951 Die Theatergesellschaft Cham präsentiert am Zugerseeufer Aussergewöhnliches. Auf der im Lorzenausfluss erstellten Bühne führen die Theaterleute während der Sommernachtspiele Cham die Operette «Eine Nacht in Venedig» von Johann Strauss (1825–1899) auf. Am 1. Juli findet die Premiere statt. Bis zum 6. August sehen gegen 40'000 Besucher an 20 Aufführungen für das Freilichtspektakel vor einer fantastischen Berg- und Seekulisse. [12]

1952 Die Einwohnergemeinde errichtet für dringende Bedürfnisse der Parkbesucher eine «Abortanlage». Das Gebäude mit den Herren- und Damentoiletten wird an die 1905 gebaute Transformatorenstation der Wasserwerke Zug angebaut. Auch die Festküche für Anlässe im Hirsgarten wird hier eingelagert.

1954 Im Hirsgarten wird die neue Badeanlage nach dem Entwurf von Architekt Otto von Rotz (1914–2009) eröffnet. [13]

1958 In der Autobahnplanung favorisiert der Zuger Regierungsrat und Baudirektor Alois Hürlimann (1916–2003) gemeinsam mit Chamer Bauern eine Linienführung südlich der Bahnlinie. Die Autobahn hätte folglich den Villettepark und den Hirsgarten tangiert und der Schlosshügel von St. Andreas wäre untertunnelt worden. Eine breite Gegnerschaft mit der Einwohnergemeinde und Fritz von Schulthess (1902–1991), Schlossherr von St. Andreas, unterstützt von der PR-Agentur Farner, bringt das Vorhaben zum Fall – und die Autobahn wird nördlich des Ortskerns realisiert. [14]

1960 Im Hirsgarten trägt die Chamer Jugend das «1. Chamer Schüler-Fussballturnier» aus. Ein Jahr später geht an derselben Stelle das erste Grümpelturnier über die Bühne. Ab 1965 wandelt sich dieses Turnier zum reinen Dorfturnier. [15]

1979 Auf der Hirsgartenwiese trifft sich am Zuger Kantonalschwingfest die einheimische Schwingerelite im Sägemehl. Das Schwingfest wird vom Schwingklub Cham-Ennetsee organisiert. Es gewinnt Paul Bachmann (*1950) aus Baar.

1987 Mit einer Reihe von Veranstaltungen feiert Cham vom 28. bis zum 30. August seine Stadtwerdung. Im grossen Festzelt im Hirsgarten wird der Festakt mit Gemeindepräsident (Stadtpräsident) Karl Bienz (*1939) und dem 10’000sten Einwohner, Karl Nussbaumer (1986–2005), zelebriert. [16]

1992 Am 27. Januar treffen sich rekordverdächtige 595 Personen zur Gemeindeversammlung: Die Versammlung verläuft sehr emotional, mit vielen Pfiffen und Zwischenrufen. Der Antrag des Gemeinderats, die Badeanstalt im Hirsgarten abzubrechen, scheitert. [17] Im November werden für die Sanierung der Badeanstalt 388'000 Franken freigegeben. [18]

1997 Am 17. Juli sendet das Schweizer Fernsehen die Sendung «Donnschtig-Jass» aus dem Hirsgarten. Die Vertreter der Stadt Murten FR jassen erfolgreicher als ihre Kontrahenden aus Schwarzenburg BE. Der Verkehrsverein und verschiedene Chamer Vereine organisieren ein Volksfest. [19]

Am 15. Dezember kommt es im Zusammenhang mit dem Hirsgarten wieder zu einer Gemeindeversammlung, die sehr hohe Wellen wirft: Die Chamerinnen und Chamer wollen kein Hotel auf ihrem Festplatz. Das zweigeschossige, innerhalb eines Monats aufbaubare und wieder demontierbare Hotelprojekt «Pergola» der Architektin Rosemarie Müller-Hotz und von Ingenieur Peter Pfister aus Cham hätte zwei Jahre im Hirsgarten stehen sollen, um Erfahrungen für die Hotellerie an der EXPO 2002 im Dreiseenland zu sammeln. Die «Zuger Nachrichten» fassen in ihrer Schlagzeile zusammen: «Das Projekt ist gut, der Standort miserabel.» Die Chamer Pioniere von der NRS-Team GmbH können schliesslich an der Weltausstellung Expo 2000 in Hannover zehn Multiservicekomplexe realisieren. [20]

2012–2014 Die Seeuferanlagen im Hirsgarten und weiter nördlich am Lorzenausfluss sowie der Schiffssteg der Schifffahrtsgesellschaft für den Zugersee AG (SGZ) werden saniert und neu gestaltet. Die alte Ufermauer war zum Teil stark unterspült. Im Zugersee müssen Facharbeiter zudem rund 27'000 Kubikmeter Seeablagerungen ausbaggern, um den Kursschiffen auch bei Niedrigwasser freie Fahrt zu ermöglichen. An der schweizweit einzigartigen hydraulischen und auch rollstuhlgängigen neuen Schiffstation kann die Einstiegshöhe des Stegs je nach Seewasserstand und Schiff angepasst gesteuert werden. [21]

2015–2016 Von September 2015 bis im Mai 2016 saniert die Gemeinde die Seestrasse und den Seeweg und lässt 2,5 Kilometer Kanalisations-, Trinkwasser- und Kabelrohrleitungen verlegen. [22]

2018 Das 2013 entfernte Alpenpanorama am Zugersee wird im Auftrag von Cham Tourismus restauriert und in Zusammenarbeit mit der Einwohnergemeinde wieder am Seeufer platziert. Die Panoramatafel bildet die markanten Hügelzüge und Berge der Zentralschweizer Voralpen (Zugerberg, Rossberg, Rigi) sowie die Urner, Unterwaldner und Berner Alpen ab und enthält einen Kurzabriss der Chamer Geschichte. [23]

2024

In Säcken wird das Material aus dem See zwischengelagert

Rund um das «Inseli» setzt sich im See immer mehr Material ab. Das wird vor allem im Sommer und in trockenen Abschnitten sichtbar und riecht unangenehm. Schwimmende Saugbagger holen im Januar und Februar das Material aus dem See und bringen es an Land. Zwischen Schifflände und Villette-Brücke wird es zwischengelagert, damit es trocknen kann. Anschliessend wird das Material entsorgt. [24]


Beschreibung des Parks 2018

Der Hirsgarten gehört der Einwohnergemeinde Cham. Die von der Seestrasse unterteilte Parkfläche umfasst 1,891 Hektaren (davon 1,190 Hektaren Gartenfläche). Im Park befinden sich die Anlegestelle der Schifffahrtsgesellschaft für den Zugersee AG (SGZ), ein grosszügiger, bekiester Rundweg, eine Fahnenanlage mit den elf Zuger Gemeindewappen sowie zwei Liegenschaften: die Badeanstalt Hirsgarten und die WC-Anlage / Festküche im nördlichen Teil unmittelbar an der Eisenbahnlinie Zug–Luzern. [25]


Plan

Autobahn Kanton Zug, Plan, 1958

150210 autobahn plan 1958 Kopie Kopie.jpg

Gemäss den Plänen der Zuger Regierung aus dem Jahr 1958 hätte die Autobahn quer durch Cham, nahe des Sees und damit der Villette, verlaufen sollen (grüne Spur)


Filmdokumente

Der Hirsgarten im Sommer

Der Hirsgarten mit Badeanstalt im August 2019


teCHAMsee 2018

Tausende Tanzfreudige treffen sich am 25.06.2018 im Hirsgarten


Choma 2019 im Hirsgarten

Auf der Hirsgartenwiese findet vom 12. bis 14.04.2019 die Choma19, die Chamer Gewerbeausstellung, statt


Aktueller Kartenausschnitt

Die Karte wird geladen …



Einzelnachweise

  1. Urkundenbuch von Stadt und Amt Zug vom Eintritt in den Bund bis zum Ausgang des Mittelalters 1352–1528, 2 Bde., Zug 1952–1964. UBZG I, Nr. 570, S. 272–278 (Urbar der Stadt Zug in Cham). Dittli, Beat, Zuger Ortsnamen. Lexikon der Siedlungs-, Flur- und Gewässernamen im Kanton Zug. Lokalisierung, Deutung, Geschichten, Zug 2007, Bd. 2, S. 461–463
  2. Gruber, Eugen et al., Geschichte von Cham, Bd. 2, Cham 1962, S. 101f.
  3. Grünenfelder, Josef, Die Kunstdenkmäler des Kantons Zug, Neue Ausgabe, Bd. 2, Die ehemaligen Vogteien der Stadt Zug, Bern 2006, S. 112
  4. Einwohnergemeindearchiv Cham, Liegenschaftsamt, Pläne 1898–1963
  5. Einwohnergemeindearchiv Cham, Zugersee-Lorze, Brief Regierungsrat an den Einwohnerrat Cham, 11.04.1906
  6. Staatsarchiv Zug, P 232.1.14, Dampfschiffahrt auf dem Zugersee 1898–1906 (Sommer-Fahrplan 01.05. bis 30.09.1906)
  7. Vgl. Anmerkung 3 (Grünenfelder), S. 112
  8. Niggli, Leo / Kleiner, Rudolf, Jubiläumsschrift 75 Jahre Sportclub Cham 1910–1985, Cham 1985, S. 16
  9. Vgl. Anmerkung 6 (Niggli / Kleiner), S. 18, 45
  10. map.geo.admin.ch, Luftbild von 1942 [Stand: 15.01.2018]
  11. Die Projektpläne sind verschollen. vgl. Horat, Heinz, Hanns Anton Brütsch Architekt BSA SIA – Eine Monographie, Zug 2021, S. 131
  12. Zuger Kalender, Chronik 01.07.1951. Zuger Kalender, Chronik 06.08.1951
  13. Zuger Neujahrsblatt, Chronik 17.07.1954
  14. Meisser, Claudio, Geschichte der Chamer Parklandschaft zwischen Zugersee und Eisenbahnlinie, Typoskript, Cham 2012
  15. Vgl. Anmerkung 6 (Niggli / Kleiner), S. 45
  16. Zuger Nachrichten, 31.08.1987
  17. Zuger Nachrichten, 28.01.1992
  18. Zuger Kalender, Chronik 04.11.1992
  19. Zuger Nachrichten, 18.07.1997
  20. Zuger Nachrichten, 16.12.1997. www.nrs-team.ch [Stand: 21.12.2017]
  21. Neue Zuger Zeitung, 16.05.2014 und 15.04.2015
  22. Neue Zuger Zeitung, 02.05.2016
  23. Medienmitteilung der Einwohnergemeinde Cham, 13.06.2018
  24. Medienmitteilung der Einwohnergemeinde Cham, 26.01.2024
  25. www.zugmap.ch, Einträge Grundstücknummern 286 und 311 [Stand: 15.01.2018]