Baumgartner Heinrich (1923–2013)
Heinrich Baumgartner-Schoch war ein wichtiger Chamer Politiker. Er war Polizeirichter, Bürgerschreiber, Bürgerpräsident, Gemeindepräsident und am Schluss seiner politischen Karriere Regierungsrat. Insgesamt hatte er während 33 Jahren öffentliche Ämter inne, dementsprechend prägend war er in seiner Zeit.
Stationen
1923 Am 13. Januar kommt Heinrich Baumgartner in Cham zur Welt. Er hat eine Schwester, Anna Maria, und zwei Brüder, Hans und Cyrill. Sein Vater heisst ebenfalls Heinrich (1892–1952), ist Verwalter der Landwirtschaftlichen Genossenschaft Cham, Betreibungsbeamter und später auch Bürgerpräsident, seine Mutter heisst Anna (1885–1970), ist eine geborene Widmer (vom gleichnamigen Modehaus) und von Beruf Modistin. Die Familie wohnt in der Nähe des Bahnhofs an der Poststrasse 2 im Gebäude der Landi. Der kleine Heinrich spielt häufig in, um und unter den Güterschuppen des Bahnhofs. [1] Die drei Kinder bilden in ihrer Jugend ein musikalisches Quartett, wobei Heinrich das Cello, Anna Maria die Violine, Hans die Klarinette und Cyrill den Bass spielt. [2]
1942 Heinrich junior besucht die Schulen in Cham und die Kantonsschule in Zug, die er mitten im Zweiten Weltkrieg mit der Matura abschliesst. [3]
1949 Heinrich Baumgartner, den in Cham alle «Heiri» nennen, studiert an der Universität Zürich Rechtswissenschaften und promoviert zum Dr. iur. [4]
1950 Es folgt die Ausbildung zum Rechtsanwalt mit der Erlangung des Anwaltspatents. Die erste Anstellung erhält Heinrich in Zug: Er arbeitet als Substitut des Gerichtsschreibers (bis 1952). [5]
1952 Heinrich Baumgartner eröffnet eine eigene Anwaltspraxis in Cham. [6] Und er heiratet: Elisabeth Werder (1927–1953) aus der Stadelmatt in Unterhünenberg ist die Auserwählte. [7]
1952/1953 Es folgen schwierige Monate: Kurz nacheinander sterben Heinrichs Vater und seine Ehefrau Elisabeth, die an einer schweren Darmerkrankung leidet und nur 25 Jahre alt wird. [8] Im gleichen Jahr wird Baumgartner zum Bürgerschreiber gewählt (bis 1961). [9]
In dieser Zeit steht der Neubau des Chamer Spitals an: Baumgartner engagiert sich bei der Planung, dem Bau und bei der Geldbeschaffung. [10]
1955 Der verwitwete Baumgartner heiratet ein zweites Mal, diesmal mit Alice Schoch (1924–1990) von der Gärtnerei Schoch. [11] In der Anwaltskanzlei kann er das Sekretariat des Kantonalen Gewerbeverbands von Hans Straub (1914–1997) übernehmen. [12]
1957 Baumgartner gibt die eigene Anwaltskanzlei auf und wird Polizeirichter und Direktor der Strafanstalt Zug (bis 1978). [13]
1962 Die Chamer Bürger wählen Heinrich Baumgartner zum Bürgerpräsidenten (bis 1979). [14] Im ersten Amtsjahr kann er den Neubau des Chamer Spitals einweihen, was ihm eine besondere Freude ist, weil er dort soviel Vorarbeiten als Bürgerschreiber geleistet hat. [15]
1964 Bei der Stiftung Altersheim Cham übernimmt Baumgartner den Vorsitz (bis 1977). [16] Cham braucht Wohnungen: Heinrich Baumgartner ist einer der Mitgründer der Gemeinnützigen Baugenossenschaft Cham (GBC) und wird deren erster Präsident (bis 1970, Mitglied im Vorstand bis 1998). [17]
1966 Polizeirichter und Bürgerpräsident Baumgartner wird auch noch zum Gemeinderat gewählt (bis 1970) [18]; er ist zuständig für das Vormundschafts- und Sozialwesen, später für das Baudepartement. [19]
1971 Eine seltene Doppelführung von Bürger- und Einwohnergemeinde ergibt sich: Denn Heinrich Baumgartner übernimmt zusätzlich zum Amt des Bürgerpräsidenten auch noch das Präsidium der Einwohnergemeinde. [20] Innerhalb der Einwohnergemeinde wechselt er vom Bau zu den Finanzen. [21]
1979 Die Zugerinnen und Zuger wählen Heinrich Baumgartner in den Zuger Regierungsrat [22], er übernimmt das Amt des Baudirektors. Das Amt des Bürgerpräsidenten gibt er ab; hingegen behält er das Gemeindepräsidium.
1981 Neben den vielen Funktionen amtiert Baumgartner auch noch als Präsident der CVP des Kantons Zug (bis 1986). [23] Das Doppelfunktion als Gemeindepräsident von Cham und als Regierungsrat gibt er wegen «übermässiger Belastung» auf, zudem verbietet das neue vom Zuger Stimmvolk genehmigte Gemeindegesetz diese Kumulierung. [24]
1986 Baumgartner tritt als Regierungsrat zurück und gibt auch das Parteipräsidium ab. [25]
1987 Die Bürgergemeinde Cham ehrt Heinrich Baumgartner und verleiht ihm am 23. Juni das Ehrenbürgerrecht.
2013 Am 31. Mai stirbt Heinrich Baumgartner im Alter von 90 Jahren in Cham – «still und leise, ganz so wie er die letzten Jahre in seinem Haus gelebt hat.» [26]
Der Politiker
Heinrich Baumgartner war für viele Chamerinnen und Chamer «so etwas wie das politische Gewissen der Gemeinde». [27] Als Politiker brachte er aufgrund seiner Fachkenntnisse und seiner umgänglichen Art viel zustande. In Cham zum Beispiel den Abschluss der Ortsplanung, den Bau der Schul- und Sportanlage Röhrliberg sowie den Kauf des Villette-Areals. [28] Auf kantonaler Ebene vertrat er rund 2500 Geschäfte im Regierungsrat, also rund 300 pro Jahr. [29]
Als Baumgartner starb, äusserten sich viele Weggefährten. Etwa Ständerat Peter Bieri (*1952): «Für viele Zuger Politiker war er mit seiner grossen Schaffenskraft, seiner Werthaltung und seiner Bescheidenheit ein Vorbild.» [30] Und sein Kollege im Regierungsrat und Nationalrat, Georg Stucky (1930–2020), meinte: «Er war und blieb für mich ein sehr guter, verlässlicher Kollege.» [31] Sein Nachfolger im Regierungsrat, Paul Twerenbold (*1946): «Er war mit Bestimmtheit kein solcher Alpha-Typ; er war keiner, der sich in den Vordergrund drängte und das Rampenlicht suchte. Er war für mich der Archetyp des Diener des Volkes. Er war immer vorbehalt- und selbstlos bereit, dem Gemeinwohl und dem öffentlichen Interesse zu dienen.» [32] Schliesslich CVP-Parteipräsident Martin Pfister (*1963): «Das Wohl der Menschen lag ihm sehr am Herzen.» [33]
Der Integrierende
«Heiri» Baumgartner war in Cham eine bekannte Persönlichkeit. Ein geflügeltes Wort ging in Cham um: «Gang, frog doch de Heiri!» [34] Er war sehr gut vernetzt, was auch mit seiner grossen Vereinsaktivität zusammenhing. Er war Gründerpräsident des Turnvereins St. Andreas und des Schwingklubs Cham-Ennetsee. In mehr als einem halben Dutzend Vereinen erhielt er aufgrund seines Engagements die Ehrenmitgliedschaft. Zudem wirkte er bei vielen Chamer Anlässen im Organisationskomitee, häufig auch als Präsident. [35] Schliesslich war er sehr grosszügig: Zehn Prozent seines Einkommens spendete für gemeinnützige Zwecke, was viele Chamer Vereine wussten und ihm ihre Gesuche zukommen liessen. [36]
Spezielles
Heinrich Baumgartner besass nie einen Fahrausweis. Deshalb war er mit dem öffentlichen Verkehr oder mit dem Velo unterwegs. In Cham schien er praktisch alle Menschen im Ort zu kennen, jedenfalls grüsste er alle und die meisten mit Namen. [37] So kam es, dass man «Heiri» Baumgartner auch mit seinem sperrigen Cello auf dem Fahrrad sehen konnte, wenn er zur Probe des Orchestervereins fuhr. [38] Weil Baumgartner auch dem Chamer Ableger der freiwilligen Blutspendevereinigung Italiens AVIS half, wurde er mit dem Ehrentitel «Cavalliere della Republica Italiana» bedacht, worauf er sehr stolz war. [39]
Fotogalerie
Heinrich Baumgartner, der Politiker
Regieren und Jassen 1974: die drei CVP-Gemeinderäte Robert Schneider (1921–2014), Heinrich Baumgartner und Alois Steiner (1928–2012) nach der Sitzung
Zuprosten für den Fotografen: der Gemeinderat von Cham mit Robert Schneider (1921–2014), Sergio Foglia (1930–2019), Heinrich Baumgartner, Heinz Buhofer (1927–2017), Alois Steiner und Gemeindeschreiber Alois Bühlmann (1914–1998), 1972
Feier zum 70. Geburtstag am 13. Januar 1993 im Lorzensaal Cham
Verleihung des Ehrenbürgerrechts
Die Bürgergemeinde Cham verlieh Heinrich Baumgartner am 23. Juni 1987 das Ehrenbürgerrecht anlässlich eines Festakts in der Aula im Schulhaus Röhrliberg
Während der Laudatio, gehalten von Paul Twerenbold (*1946): Alice Baumgartner-Schoch, Heinrich Baumgartner, die Ehrenbürger Fritz (1902–1991) und Monica von Schulthess-Page (1907–1995) sowie Ehrenbürger Pfarrer Josef Muff (1905–1994)
Mit dem Bürgerrat Cham: Gusti Hausheer (*1946), Willy Baumgartner (1921–2010), Angelo Reggiori (*1928), Xaver Gretener (*1930) (beide verdeckt), Heinrich Baumgartner, Oskar Gretener (1925–1994), Bürgerschreiber
Dokumente
Filmdokumente
Über die Überdüngung des Zugersees, 1983
Der Zuger Regierungsrat gab eine Studie zur Überdüngung des Zugersees in Auftrag, Baudirektor Heinrich Baumgartner bezieht Stellung, Beitrag in der Sendung «DRS Aktuell», Schweizer Fernsehen, 25.10.1983
Über die Sanierung des Zugersees, 1984
Der Zuger Regierungsrat legt ein Konzept für die Sanierung des Zugersees durch Umleitung von Wasser aus dem Vierwaldstättersee vor, Baudirektor Heinrich Baumgartner bezieht Stellung, Beitrag in der Sendung «DRS Aktuell», Schweizer Fernsehen, 10.04.1984
Einzelnachweise
- ↑ Bürgergemeinde Cham, Gretener, Oskar, Dr. Heinrich Baumgartner, Gratulationsrede zum 70. Geburtstag, 1993
- ↑ Freundliche Mitteilung von Stephan Pöhner, Sohn von Anna Maria Baumgartner-Pöhner, 19.08.2021
- ↑ Morosoli, Renato, «Baumgartner, Heinrich», in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 02.08.2021. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/005829/2021-08-02/ [Stand: 06.07.2022]
- ↑ Neue Zuger Zeitung, 17.06.2013
- ↑ Zuger Nachrichten, 13.01.1993
- ↑ Bürgergemeinde Cham, Gretener, Oskar, Dr. Heinrich Baumgartner, Gratulationsrede zum 70. Geburtstag, 1993
- ↑ Zuger Volksblatt, 20.02.1953
- ↑ Zuger Volksblatt, 20.02.1953
- ↑ Staatsarchiv Zug, Zuger Personen- und Ämterverzeichnis [Stand: 01.03.2024]
- ↑ Bürgergemeinde Cham, Gretener, Oskar, Dr. Heinrich Baumgartner, Gratulationsrede zum 70. Geburtstag, 1993
- ↑ Neue Zuger Zeitung, 17.06.2013
- ↑ Zugersee-Zeitung, 07.01.1955
- ↑ Morosoli, Renato, «Baumgartner, Heinrich», in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 02.08.2021. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/005829/2021-08-02/ [Stand: 06.07.2023]
- ↑ Staatsarchiv Zug, Zuger Personen- und Ämterverzeichnis [Stand: 01.03.2024]
- ↑ Bürgergemeinde Cham, Gretener, Oskar, Dr. Heinrich Baumgartner, Gratulationsrede zum 70. Geburtstag, 1993
- ↑ Neue Zuger Zeitung, 17.06.2013
- ↑ Neue Zuger Zeitung, 18.03.2014. Neue Zuger Zeitung, 07.01.2015
- ↑ Staatsarchiv Zug, Zuger Personen- und Ämterverzeichnis [Stand: 01.03.2024]
- ↑ Bürgergemeinde Cham, Gretener, Oskar, Dr. Heinrich Baumgartner, Gratulationsrede zum 70. Geburtstag, 1993
- ↑ Staatsarchiv Zug, Zuger Personen- und Ämterverzeichnis [Stand: 01.03.2024]
- ↑ Bürgergemeinde Cham, Gretener, Oskar, Dr. Heinrich Baumgartner, Gratulationsrede zum 70. Geburtstag, 1993
- ↑ Staatsarchiv Zug, Zuger Personen- und Ämterverzeichnis [Stand: 01.03.2024]
- ↑ Morosoli, Renato, «Baumgartner, Heinrich», in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 02.08.2021. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/005829/2021-08-02/ [Stand: 06.07.2022]
- ↑ Zuger Nachrichten, 13.04.1981
- ↑ Staatsarchiv Zug, Zuger Personen- und Ämterverzeichnis [Stand: 01.03.2024]
- ↑ Neue Zuger Zeitung, 05.06.2013
- ↑ Orsouw, Michael van, Cham – Menschen, Geschichten, Landschaften, Cham 2008, S. 123
- ↑ Bürgergemeinde Cham, Gretener, Oskar, Dr. Heinrich Baumgartner, Gratulationsrede zum 70. Geburtstag, 1993
- ↑ Neue Zuger Zeitung, 17.06.2013
- ↑ Neue Zuger Zeitung, 15.06.2013
- ↑ Neue Zuger Zeitung, 05.06.2013
- ↑ Neue Zuger Zeitung, 17.06.2013
- ↑ Neue Zuger Zeitung, 05.06.2013
- ↑ Bürgergemeinde Cham, Gretener, Oskar, Dr. Heinrich Baumgartner, Gratulationsrede zum 70. Geburtstag, 1993
- ↑ Bürgergemeinde Cham, Gretener, Oskar, Dr. Heinrich Baumgartner, Gratulationsrede zum 70. Geburtstag, 1993
- ↑ Vgl. Anmerkung 24 (van Orsouw), S. 124
- ↑ Vgl. Anmerkung 24 (van Orsouw), S. 123
- ↑ Neue Zuger Zeitung, 21.01.2013
- ↑ Neue Zuger Zeitung, 05.06.2013