Evangelisch-reformierte Kirche Cham

Aus Chamapedia

Die Reformierte Kirche Cham entsteht 1915 auf einem Grundstück der Papierfabrik Cham, mit der sie in mannigfacher Weise verbunden ist. Die schmucke kleine Kirche wird zum Treffpunkt der Reformierten im Ennetseegebiet.

Malerisches Wahrzeichen an der Sinserstrasse, undatiert (vor 1960)
Postkarte der evangelisch-reformierten Kirche, mit der Liegenschaft Obermühlestrasse 21, 1921
Innenraum der Kirche in der Vorstellung von Architekt Emil Schäfer (1878–1958), 1913
Sehr zur Freude der anwesenden Kinder und Erwachsenen werden die Glocken aufgezogen, 03.11.1915
Die Glasgemälde am Apsisfenster: Entworfen von Maler Albert Figel (1889–1954) aus München, ausgeführt von Glasmaler Franz Xaver Zettler (1841–1916) aus München, finanziert von Emy Naville-Vogel (1885–1981); ganz rechts die drei Kinder von Emy Naville-Vogel: Raoul (1912–1999), Hortense (1910–1999) und Robert E. (1913–2006) als Kleinkinder, 1915
Der Taufstein von Hans Markwalder (1882–1951) aus rötlichem Kalkstein: Ein kniender Engel trägt auf seinen Flügeln und hochgehaltenen Händen das Taufbecken, 1915
Ansicht von Süden, 1987


Chronologie

1850 Cham ist eine durch und durch katholische Gemeinde. Die eidgenössische Volkszählung erfasst neben 1300 Katholiken nur gerade 22 Protestantinnen und Protestanten, die «wie auf einer Insel» alle in der Nähe der Hammerschmiede und der Papiermühle an der Lorze wohnen. [1]

1860/1861 Zehn Später leben bereits 108 Menschen mit protestantischer Konfession in Cham. [2] Die Industrialisierung hält entlang der Lorze in Baar und Cham Einzug. Am 5. August 1861 – also ein Jahr vor der Eröffnung der Baumwollspinnerei und Weberei in Hagendorn [3] – schreibt Pfarrer Esslinger aus Kappel am Albis ZH dem Zürcher Hilfsverein: «Cham ist bis jetzt noch unbedeutend, wird aber protestantischer Ansassen halber bedeutend werden, sobald einmal die grosse Fabrik in Hagendorn wird ins Leben getreten sein.» [4]

1863 Der Zuger Regierungsrat erlaubt den Reformierten von Cham, Baar und Zug das Feiern von Gottesdiensten in privaten Räumen. [5]

1879 Die Schulkommission Cham beschwert sich bei der protestantischen Kirchgemeinde des Kantons Zug über den Bildungsstand der reformierten Kinder in Hagendorn: «Ausserdem steht es, scheint’s, auch mit dem Unterricht dieser Kinder schlimm; insbesondere soll der erstgenannte 12-jährige Knabe bisher noch gar keinen Religionsunterricht genossen haben. Da also sittlich und religiös das Wohl der Kinder höchst gefährdet ist, empfehlen wir sie Ihrer wohlwollenden pfarramtlichen Fürsorge». Daraufhin hält der Baarer Pfarrer David Holzhalb (1839–1899) in Cham Religionsunterricht. [6]

1888 Mittlerweile zählt Cham 288 Reformierte, das ist immerhin eine Verdreizehnfachung gegenüber 1850. Der Grund dafür liegt im Zuzug vieler Industriearbeiter, die aus reformierten oder gemischt-konfessionellen Kantonen der Arbeit wegen nach Cham gezogen sind. [7]

1889 Die Reformierten im Ennetsee schliessen sich im «Protestanten-Verband Cham-Hünenberg» zusammen, auch, um den Reformierten eine anständige Beerdigung zu ermöglichen. [8] «Es wird aber ein langer Weg, bis die Chamer ans Ziel kommen. Sie müssen zusehen, wie die Zuger ihnen zuvorkommen, die müssen es erleben, wie sie beständig vertröstet werden.» [9]

1890 Der erste reformierte Gottesdienst in Cham findet am 20. Juli im Rittersaal des Schlosses St. Andreas statt, der zu diesem Zweck ausgeräumt wird. Speziell für diesen Anlass gründen die Chamer einen reformierten Kirchenchor. Meistens aber werden die Gottesdienste in Knonau ZH oder Maschwanden ZH besucht. [10]

1894 Jetzt werden reformierte Gottesdienste in den Räumen der Kleinkinderschule der Anglo-Swiss Condensed Milk Company abgehalten. Die neue Bestuhlung dazu («20 schöne, bewegliche Bänke») stellen Heinrich Schulthess-von Meiss (1813–1898), Besitzer der Villette, sowie Carl Vogel-von Meiss (1850–1911), Besitzer der Papierfabrik, zur Verfügung. [11]

1895 Weil die Zahl der Reformierten in Cham weiter steigt, fordert der «Protestanten-Verband Cham-Hünenberg» nun den Bau einer reformierten Kirche. [12]

1905 Reformierte Gottesdienste finden in einem Schulzimmer statt. [13]

1907 Der Chamer Architekt Hans Miesch (1880–1941) legt ein erstes Vorprojekt für den Bau einer Reformierten Kirche vor. Daraufhin bewilligt die Kirchgemeinde einen Kredit von 40'000 Franken, dazu kommt eine Konfirmationsspende von rund 14'000 Franken. [14]

1912 Die Papierfabrik Cham stellt zwischen Sinserstrasse und Lorzenabhang einen Bauplatz für den Kirchenbau zur Verfügung, womit der Kirchenbau konkret wird und die Planung beginnt. Den Vorsitz der Baukommission übernimmt Robert Naville-Vogel (1884–1970), der junge Direktor der Papierfabrik. [15] Präsident des Protestantenvereins Cham ist der umtriebige Bahnhofsvorstand Fritz Widmer (1858–1920). [16]

1914 Für die Architektur zeichnet der Emil Schäfer (1878–1958) verantwortlich, ein Architekt aus Zürich. Sekundiert wird er von Bauleiter Wilhelm Hauser (1874–1943), dem Chamer Baumeister, von Robert und Emy Naville-Vogel (1885–1981) sowie von Richard Vogel (1870–1950), dem Onkel von Emy, der die Bauherrschaft in künstlerischer und stilistischer Hinsicht berät. Dabei wird der schmale Bauplatz geschickt ausgenützt und die Kirche quergestellt, damit der strassenseitig platzierte Turm vom Bärenplatz im Süden ebenso gut sichtbar ist wie für die Herannahenden im Norden. [17] Die Grundsteinlegung erfolgt am 26. April. Nach Baar (1867) und Zug (1906) ist es die dritte reformierte Kirche im Kanton Zug. [18]

1915 Der Bau kommt auch nach dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs gut voran. Am 21. Oktober werden die Glocken durch Hermann Rüetschi (1855–1917) in Aarau gegossen und am 3. November in Cham auf den Kirchturm gehoben. Am 21. November wird die Reformierte Kirche eingeweiht: Die Festansprache hält Dekan J. Ganz, Präsident des Protestantisch-kirchlichen Hilfsvereins des Kantons Zürich, die Festpredigt Pfarrer Hans Zollinger und das Weihegebet Robert Doggweiler (1887–1957), Pfarrer von Zug. Die neue Kirche kostet (ohne Bauland) 110‘418.40 Franken und bietet rund 225 Menschen Platz. [19]

An die Innenausstattung der reformierten Kirche Cham bezahlt unter anderem Papierfabrik-Mitbesitzerin Emy Naville-Vogel (1885–1981). Als Dank dafür werden die drei Kinder Emy’s Naville in einem der drei kunstvollen Glasfenster in der Apsis verewigt. [20]

1922 Die Kirche erhält eine Orgel. Sie stammt vom Orgelbauer Kuhn aus Männedorf ZH. [21] Ermöglicht hat dies ein Legat von Witwe Bollinger-Baumann in der Höhe von 35'000 Franken. [22]

1927 Cham wird Pfarrsitz und bekommt mit Alfred Ruhoff-Mötteli (1900–2000) seinen ersten reformierten Pfarrer. [23]

1934 Nachdem der Chamer Pfarrer zunächst in einer Mietwohnung an der Luzernerstrasse wohnen musste, bekommt er ein eigenes Pfarrhaus. Dies wird allerdings erst möglich, als die Papierfabrik Cham ein Zweifamilienhaus in der Nähe der Kirche für «einen Preis unter Brüdern» abtritt. [24]

1937 Um das Schlagen der Glocken zu vereinfachen, wird ein elektrisches Geläut installiert. [25]

1962 Nach 47 Jahren erhält die Chamer Kirche eine Aussenrenovation. [26]

1992 Die Reformierte Kirche wird innen und aussen restauriert. Im Untergeschoss wird ein Gemeindesaal eingebaut. [27] Die Kirche wird unter kantonalen Denkmalschutz gestellt. [28]

2005 Nochmals wird das Innere der Kirche baulich überholt, zudem erfährt die Sakristei eine Erweiterung. [29]

2015 Am ersten Septemberwochenende ist die reformierte Gemeinde in Cham in Feststimmung. Die Kirche an der Lorze gibt es seit 100 Jahren: Einheimische und Gäste besuchen die Kirche, die alle Türen und sogar den Glockenstuhl öffnet. Zum Jubiläum wird eine Festschrift publiziert, die die Geschichte der Kirche und der Reformierten in Cham thematisiert. [30]

2024 Die Kirche ist im Verzeichnis der geschützten Denkmäler der Gemeinde Cham aufgeführt. [31]


Würdigungen und Erinnerungen

Pfarrer Robert Doggweiler (1887–1957), ein Zeitgenosse aus der Bauzeit, meint zur Chamer Kirche: «Der Chronist hat schon viele Kirchen gesehen im lieben Schweizerland. Ein schöneres Kleinod als das zu Cham ob der Lorze fand er noch keines.» [32]

Der Chamer Kunsthistoriker Josef Grünenfelder schreibt: «Die zur Zeit der Landesausstellung von 1914 entstandene reformierte Kirche von Cham ist ein typischer Vertreter der Kirchenarchitektur des Heimatstils, der sich vom bislang dominierenden Historismus zugunsten von heimischen, bevorzugt ländlichen Bauformen abwandte. Obwohl in keiner Weise monumental, bildet sie dank geschickter Querstellung und der unübersehbaren Helmpyramide des auf der Strassenseite stehenden Turms für die von Norden Ankommenden das unverkennbare Wahrzeichen Cham.» [33]

Die Reformierte Kirche Cham ist als «architektonischer Meilenstein für die Geschichte des Protestantismus im Kanton Zug von beträchtlicher Bedeutung». [34]

Rolf Berweger (*1959) aus Menzingen, Kirchenratspräsident Reformierte Kirche Kanton Zug: «Die Kirche in Cham hat etwas bescheidenes, aber auch etwas „trutziges“ an sich. Sie drängt sich nicht auf, stellt sich auch nicht in den Weg der Vorbeifahrenden oder Vorbeigehenden, aber sie nimmt ihren Platz ein. Sie versteckt sich nicht. Das ist auch gut so. Auch darin verkörpert sie viel von dem, was wir als Kirche zu leben versuchen. Die Kirche in Cham ist ein schönes Gebäude. Sie ist warm in ihrem Inneren, und mit ihrem Holz von einer schlichten Feierlichkeit. Und sie ist solide gebaut – wenn vielleicht auch nicht für die Ewigkeit, so doch für noch sehr lange Zeit.» [35]

Dieter Stucky aus Cham: «In meiner Kindheit und Jugendzeit habe ich das Kirchengebäude in enger Nachbarschaft erlebt, da mein Vater hier reformierter Pfarrer war. Nachdem ich vor 14 Jahren wieder nach Cham gezogen bin, ist es mir wieder zur Heimat geworden. In lebhafter Erinnerung an damals ist mir z.B. die schöne Zeit an Weihnachten. Da wurden für uns Kinder die Geschenke immer auf dem Chorraumgestühl ausgelegt. Auf jedem Sitz lag ein Geschenk, und wir konnten es kaum erwarten, es zu bekommen. Auch wurde ich dort konfirmiert.» [36]

Nadine Knecht aus Hagendorn zur Kirche an der Sinserstrasse: «Immer wenn wir vom Kreisel in der Ortsmitte in Richtung Sins fahren oder zu Fuss an der Lorze entlang Richtung Hammergut gehen, fällt uns das markante Gebäude mit seinem Turm und dem schönen blauen Zifferblatt der Uhr auf. Ein wirkliches Schmuckstück inmitten der Wohnblocks an der Sinserstrasse.» [37]


Bildergalerie vom 12. Juli 2019


Filmdokument

Die Evangelisch-reformierte Kirche Cham, Vollgeläute am 29.02.2020


Aktueller Kartenausschnitt

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Einzelnachweise

  1. Glauser, Thomas / Hoppe, Peter / Schelbert Urspeter, 12 Bevölkerungsporträts: eine Auswertung der Volkszählung von 1850, in: Der Kanton Zug zwischen 1798 und 1850, Bd. 2, Zug 1998, S. 113
  2. Gruber, Eugen et al., Geschichte von Cham, Bd. 2, Cham 1962, S. 27
  3. Horat, Heinz, Hagendorn, ehemalige Spinnerei und Weberei [Kurzbericht], in: Tugium 17, 2001, S. 20f.
  4. zit. b. Johner, Jürg, Gedenkschrift, in: 100 Jahre Kirche Cham 1915–2015, Cham 2015, S. 14
  5. Zürcherische Freitagszeitung, 16.01.1863
  6. Vgl. Anmerkung 2 (Gruber, Eugen et al.), S. 29
  7. Orsouw, Michael van, Der Zellstoff, auf dem die Träume sind. 350 Jahre Papieri Cham, Cham 2006, S. 71
  8. Vgl. Anmerkung 2 (Gruber, Eugen et al.), S. 29
  9. Doggweiler, Robert / Kuhn, Wilhelm, Geschichte der Protestantischen Kirchgemeinde des Kantons Zug, Zug 1963, S. 42
  10. Vgl. Anmerkung 9 (Doggweiler / Kuhn), S. 42
  11. Vgl. Anmerkung 4 (Johner), S. 20
  12. Vgl. Anmerkung 7 (van Orsouw), S. 71
  13. Vgl. Anmerkung 7 (van Orsouw), S. 71
  14. Vgl. Anmerkung 4 (Johner), S. 21
  15. Vgl. Anmerkung 7 (van Orsouw), S. 71
  16. Vgl. Anmerkung 9 (Doggweiler / Kuhn), S. 44
  17. Grünenfelder, Josef, Die Kunstdenkmäler des Kantons Zug, Neue Ausgabe, Bd. 2, Die ehemaligen Vogteien der Stadt Zug, Bern 2006, S. 102
  18. Vgl. Anmerkung 4 (Johner), S. 24
  19. Vgl. Anmerkung 9 (Doggweiler / Kuhn), S. 44. Vgl. Anmerkung 4 (Johner), S. 24–26
  20. Vgl. Anmerkung 7 (van Orsouw), S. 71
  21. Vgl. Anmerkung 17 (Grünenfelder), S. 103
  22. Vgl. Anmerkung 9 (Doggweiler / Kuhn), S. 46
  23. Vgl. Anmerkung 7 (van Orsouw), S. 71
  24. Vgl. Anmerkung 9 (Doggweiler / Kuhn), S. 65
  25. Vgl. Anmerkung 9 (Doggweiler / Kuhn), S. 65
  26. Vgl. Anmerkung 7 (van Orsouw), S. 71
  27. Vgl. Anmerkung 17 (Grünenfelder), S. 103. Vgl. Anmerkung 7 (van Orsouw), S. 71
  28. Horat, Heinz, Amt für Denkmalpflege, Tätigkeitsbericht 1992, in: Tugium 8, 1993, S. 9
  29. Vgl. Anmerkung 7 (van Orsouw), S. 71
  30. Neue Zuger Zeitung, 18.09.2015
  31. Amt für Denkmalpflege und Archäologie des Kantons Zug, Verzeichnis der geschützten Denkmäler der Gemeinde Cham, Grundstücknummer 159 [Stand: 15.05.2024]
  32. Vgl. Anmerkung 9 (Doggweiler / Kuhn), S. 46
  33. Vgl. Anmerkung 17 (Grünenfelder), S. 102
  34. Vgl. Anmerkung 4 (Johner), S. 24
  35. Vgl. Anmerkung 4 (Johner), S. 6
  36. Vgl. Anmerkung 4 (Johner), S. 12
  37. Vgl. Anmerkung 4 (Johner), S. 13
  38. Zuger Zeitung, 26.12.2017