St. Andreas 9, Turmhaus

Aus Chamapedia

Darstellung von St. Andreas in der Kantonsgeschichte von Franz Karl Stadlin (1777–1829): Links das Schloss und die Kapelle, rechts im Hintergrund das neue Kaplanenhaus und im Vordergrund das Turmhaus (das «alte Caplanei Haus»), undatiert (frühes 19. Jahrhundert)
Blick vom Schloss St. Andreas in Richtung Osten auf das erste Chamer Seebad und im Vordergrund das Turmhaus, undatiert (ca. 1905)
Das Turmhaus, mit Efeu überwachsen, undatierte Aufnahme
Ansicht Nord
St. Andreas 9, 02.10.2021

Seit dem späten 15. Jahrhundert ist im Städtli auf St. Andreas ein Kaplanenpfrundhaus nachgewiesen. Bis in die Mitte des 17. Jahrhunderts ist das heute als «Turmhaus» bekannte Liegenschaft das Kaplanenhaus von St. Andreas. Wäre der Bebauungsplan St. Andreas im Dezember 2007 von der Chamer Stimmbevölkerung angenommen worden, hätte man die etwas versteckt am Osthang des Schlosshügels gelegene, zumindest teilweise im Spätmittelalter erbaute Liegenschaft abgerissen.


Chronologie

1348 Ritter Gottfried IV. von Hünenberg (gest. 1387) und seine Ehefrau Margarethe von Friedingen, Besitzer der Burg St. Andreas, stiften am 24. Mai eine Kaplaneipfrund. Dem Kaplan wird u.a. die Pflicht auferlegt, wöchentlich in der Kapelle von St. Andreas drei und in der Pfarrkirche St. Jakob Cham zwei Messen zu lesen. [1] Mit dem Kauf des Patronatrechts der Pfarrkirche Cham hat die Stadt Zug 1477 das Recht, die Kaplanei St. Andreas mit einem Geistlichen zu besetzen, aber auch die Pflicht, dem jeweiligen Kaplan eine Behausung zur Verfügung zu stellen.

1490 Dem Kaplan steht ein Pfrundhaus samt Mobiliar («den husblunder, so zuo der pfruond gehoert, es sÿe betten, kusse, linlachen, teckinen, heffen, kessÿ, pfannen») mit Baumgarten und Reblaube zur Verfügung. [2]

1495 Das Pfrundhaus wird in einer Urkunde ziemlich genau lokalisiert: «ein eigen huß und hoffstat mit den bomgarten, die zuo dem huß gehoerent, in der vorburg, bÿ turn [= Turm] geleggen.» [3] Auch der Zuger Arzt und Lokalhistoriker Franz Karl Stadlin (1777–1829) bezeichnet das am Osthang des Schlosshügels gelegene und noch heute als «Turmhaus» bekannte Liegenschaft als «alte Kaplanei». Bis ins frühe 18. Jahrhundert stand hier ein Wehr- oder Torturm, der zur spätmittelalterlichen Befestigungsmauer des Städtlis St. Andreas gehörte. [4]

1648 Ein neues Kaplaneipfrundhaus ist im Bau. Ritter Hans Bengg (gest. 1653), Stadtbaumeister Michael Wickart (1600–1682) und Landesfähnrich Hans Speck (gest. 1662) werden vom Zuger Stadtrat beauftragt, mit dem notwendigen Neubau eines Kaplanenhauses im Städtli fortzufahren. [5]

1651 Schon drei Jahre später, am 14. Februar, wird dieser Neubau durch einen Brand in Schutt und Asche gelegt. [6] Nach dem Brand verlegt man das Kaplanenhaus wohl an den heutigen Standort nordwestlich der Kapelle St. Andreas und erbaut sie neu. Die alte Kaplanei besteht als Wohnhaus weiter. [7]

1814 Ab 1813 ist die Besitzergeschichte in den Assekuranzregistern der kantonalen Gebäudeversicherung nachvollziehbar: Das Turmhaus trägt die Assekuranznummer 22a und gehört 1814 einem Oswald Hausheer. [8]

1820 Gemäss der Kommunikantenzählung im Sommer 1820 bewohnen Johannes (6 Kommunikanten) und Melchior (3 Kommunikanten) Hausheer das Turmhaus. Unklar bleibt die Zahl der Nichtkommunikanten, also der Kinder in den beiden Haushalten.

1837 Später besitzen Johannes und Jost Hausheer die eine, Melchior Hausheer die andere Hälfte. Nach einer Erbteilung am 16. März gehört das ganze Haus nun Johann und Josef Hausheer. [9]

1853 Franz Michael Bär kauft die Liegenschaft. [10]

1869 Schneidermeister Moritz Freimann, zuvor im Kirchbüel wohnhaft, tritt nun als Käufer auf. [11]

1871 Nur kurze Zeit später geht das Turmhaus an Heinrich von Balthasar. [12]

1885 David Page (1844–1903), der Generaldirektor der Anglo-Swiss Condensed Milk Company, kauft die Liegenschaft am 26. Mai. [13]

1892 Nach einem Kauf gehört das Turmhaus zum Firmenvermögen der Anglo-Swiss. [14]

1901 Die ständigen Besitzerwechsel innerhalb von wenigen Jahren setzen sich fort: Nun erwirbt die Einwohnergemeinde die Liegenschaft. [15]

1905 Ein zweites Mal kauft die Familie Page das Turmhaus. Der Käufer ist Fred Page (1877–1930), der Sohn von Adelheid (1853–1925) und George Ham Page-Schwerzmann (1836–1899). Drei Jahre zuvor hatten Mutter und Sohn bereits die Schlossanlage St. Andreas übernommen. Die Liegenschaft erhält die Assekuranznummer 18h. [16]

1930 Nach dem Tod von Fred H. Page geht die Liegenschaft an seine Tochter Monica von Schulthess-Page (1907–1995) über. [17]

2005 Im Vorfeld der Bauvorhabens im Schlosspark von St. Andreas führt die Zuger Kantonsarchäologie dendrochronologische Untersuchungen [18] im Turmhaus durch. Das Haus besteht aus einer gemauerten und verputzten Westhälfte und einer als Ständerbau ausgeführten Osthälfte. Es ist bis heute aber nicht klar, welche Hausseite älter ist. Die dendrochronologischen Proben werden im Ständerbau genommen, auf den Schwellen, die auf der südlichen und östlichen Kellermauer liegen. Letztlich kann nur eine Eichenschwelle einwandfrei bestimmt werden: Das Fälldatum dürfte um 1490 anzusetzen sein, was gut zu den (oben erwähnten) Schriftquellen aus dem späten 15. Jahrhundert passt. [19]

2007 Die Chamer Stimmbevölkerung stimmt am 9. Dezember über den Bebauungsplan St. Andreas ab. Bei der Annahme wäre das spätmittelalterliche Turmhaus abgebrochen worden. Bei einer Stimmbeteiligung von 53.88 Prozent lehnen die Chamerinnen und Chamer den Bebauungsplan mit 3030 Nein- und 1849 Ja-Stimmen aber deutlich ab.


Karte

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Einzelnachweise

  1. Quellenwerk zur Entstehung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, Abteilung 1, Urkunden, Bd. 3, Nr. 772 (24.05.1348). Eggenberger, Peter / Glauser, Thomas / Hofmann, Toni, Mittelalterliche Kirchen und die Entstehung der Pfarreien im Kanton Zug, Zug 2008 (Kunstgeschichte und Archäologie im Kanton Zug 5), S. 178f.
  2. Urkundenbuch von Stadt und Amt Zug vom Eintritt in den Bund bis zum Ausgang des Mittelalters 1352–1528, 2 Bde., Zug 1952–1964. UBZG I, Nr. 1533, S. 768
  3. Urkundenbuch von Stadt und Amt Zug vom Eintritt in den Bund bis zum Ausgang des Mittelalters 1352–1528, 2 Bde., Zug 1952–1964. UBZG II, Nr. 2486G, S. 1206–1209 (Urbar von St. Andreas)
  4. Dittli, Beat, Zuger Ortsnamen. Lexikon der Siedlungs-, Flur- und Gewässernamen im Kanton Zug. Lokalisierung, Deutung, Geschichten, Zug 2007, Bd. 3, S. 132f., Bd. 5, S. 77f.
  5. Bürgerarchiv Zug, A 39.26.2.3029, Ratsprotokolle der Stadt Zug 1641–1650, fol. 232v (22.08.1648)
  6. Pfarrarchiv / Kirchgemeindearchiv Baar, A 1/4009, fol. 342v (14.02.1651)
  7. Boschetti-Maradi, Adriano, Kurzbericht Dendrodatierung Turmhaus St. Andreas 9 Cham, in: Tugium 22, 2006, S. 25f.
  8. Staatsarchiv Zug, G 617.6.1, Assekuranzregister Cham, 1. Generation (1813–ca. 1868)
  9. Staatsarchiv Zug, G 617.6.1, Assekuranzregister Cham, 1. Generation (1813–ca. 1868)
  10. Staatsarchiv Zug, G 617.6.1, Assekuranzregister Cham, 1. Generation (1813–ca. 1868)
  11. Staatsarchiv Zug, G 617.6.2, Assekuranzregister Cham, 2. Generation (1868–1929), 1. Band
  12. Staatsarchiv Zug, G 617.6.2, Assekuranzregister Cham, 2. Generation (1868–1929), 1. Band
  13. Staatsarchiv Zug, G 617.6.2, Assekuranzregister Cham, 2. Generation (1868–1929), 1. Band
  14. Staatsarchiv Zug, G 617.6.2, Assekuranzregister Cham, 2. Generation (1868–1929), 1. Band
  15. Staatsarchiv Zug, G 617.6.2, Assekuranzregister Cham, 2. Generation (1868–1929), 1. Band
  16. Staatsarchiv Zug, G 617.6.2, Assekuranzregister Cham, 2. Generation (1868–1929), 1. Band
  17. Staatsarchiv Zug, G 617.6.4, Assekuranzregister Cham, 3. Generation (1929–1960), 1. Band
  18. Die Dendrochronologie (Jahrringchronologie) ist eine bekannte Datierungsmethode, bei der die Jahrringe von Bäumen anhand ihrer unterschiedlichen Breite einer bestimmten, bekannten Wachstumszeit zugeordnet werden. Die jährlichen Zuwachsraten hängen von den Umweltbedingungen ab. Es ergeben sich daher innerhalb einer bestimmten geografischen Region für beliebige Zeitreihen charakteristische Abfolgen.
  19. Boschetti-Maradi, Adriano, Kurzbericht Dendrodatierung Turmhaus St. Andreas 9 Cham, in: Tugium 22, 2006, S. 25f. Grünenfelder, Josef, Die Kunstdenkmäler des Kantons Zug, Neue Ausgabe, Bd. 2, Die ehemaligen Vogteien der Stadt Zug, Bern 2006, S. 58f.