Pfarrkirche St. Jakob, Turm und Geläute
Der knapp 72 Meter hohe Chamer Kirchturm ist das Wahrzeichen von Cham und von weitherum sichtbar. Der Kirchturm von heute erhielt sein Aussehen erst 72 Jahre nach dem Neubau der neuen Kirche.
Chronologie
1785 Im Frühjahr wird die alte Pfarrkirche St. Jakob abgebrochen. Nur der alte Turm bleibt bestehen. Der Turm wird neu gestrichen und erhält eine neue Uhr mit Zifferblättern. [1]
1796 Nach zwölf Jahren Bauzeit weiht der Konstanzer Weihbischof Wilhelm Josef Leopold Willibald (1740–1798) am 26. Juli die neue Pfarrkirche ein.
1845 Neben der neuen, mächtigen barocken Kirche erscheint der alte, spätgotische Turm mit dem Spitzhelm als zu niedrig. Nach sieben Jahren Planung und verschiedenen Vorschlägen entscheidet man sich für das Projekt des Zürcher Architekten Ferdinand Stadler (1813–1870): Dem viergeschossigen, spätgotischen Turmschaft wird ein neugotischer Aufbau mit Uhrengeschoss (fünftes Geschoss) und ein steiler Spitzhelm aufgesetzt. [2]
1852–1854 Baumeister Johann Keusch (1786–1865) von Boswil AG – er hatte rund zehn Jahre zuvor auch das Chamer Gemeindehaus erstellt – baut die Turmspitze in Absprache mit Stadler um etwa 55 Fuss (also knapp 17 Meter) höher als geplant. [3]
1868 Am Sonntag 19. Januar tobt ein Föhnsturm. Während der Frühmesse wird der erst 14 Jahre alte Helm vom Turm gefegt: «morgens etwas vor 7 Uhr, hat ein ungeheurer Föhnstoss den Aufsatz auf dem Thurme unserer Pfarrkirche gepackt, mit gewaltiger Kraft aus den Fugen gehoben und über die Gallerie und die Kirchhofmauer hinaus östlich in die sog. Kirchmatt geschleudert. Trauernd starrt nun der seines Hauptschmuckes beraubte Thurm in die Ferne, in die er sonst im Glanze der Sonne so freundlich geleuchtet; möge er wieder bald und würdig behelmt werden.» [4] Der durch den Aufprall stark fragmentierte Helm liegt nach dem Ereignis etwa «20 Fuss» (also rund sechs Meter) neben der Kirche. [5]
Der Zuger Baumeister Leopold Garnin (1828–1904) und Steinmetz Johann Käppeli übernehmen die Neuausfertigung des neugotischen Turmaufsatzes nach den Plänen von Architekt Ludwig Johann Sutter aus Luzern. Der Turm ist nun fast 72 Meter hoch, aber niedriger als der Vorgänger von 1854. Von der Turmplattform bis zur Turmkugel sind es nun rund 36 Meter. [6]
1959 Der Turm wird sanft renoviert. [7]
1983 Am Turm werden die Fialen – die schlanken, spitzen neugotischen Türmchen – saniert. [8]
Die Sanierung der Turmfialen, 1983
1987
Der Turm wird wieder überholt: Die Sandsteine der Turmplattform und der Brüstung werden repariert und die Turmuhr erhält neue, vergoldete Ziffern aus Chromstahl. [9]
2014 Der 71.90 Meter hohe spätgotische Chamer Turm mit seinem neugotischen Aufsatz ist nicht mehr das höchste Gebäude im Kanton Zug. Mit seinen 81 Metern ist der «Parktower» in der Stadt Zug mehr als 9 Meter höher. Bei den Kirchtürmen ist St. Jakob Cham aber weiterhin der Spitzenreiter, vor der Pfarrkirche St. Michael in Zug (68.60 Meter) und der Pfarrkirche der Heiligen Familie in Unterägeri (65.80 Meter). [10]
2023 Am 5. Mai, abends, schlägt der Blitz während eines Unwetters in den Kirchturm ein. Die Uhr bleibt stehen und zeigt während mehreren Tagen immer die Zeit von 17.30 Uhr an. Erst am 9. Mai sind die Reparaturen beendet und die Uhr zeigt wieder die korrekte Zeit an. Ein ähnlicher Vorfall ereignete sich am Wochenende vom 8./9. Juli 2017. [11]
Die Glockeneinweihung 1959
In langen Zeiträumen wurde der Glockenstuhl mit neuen Glocken ausgestattet. Zu den zwei Glocken aus dem Jahr 1642 folgten weitere Glocken erst in den Jahren 1833, 1904 und 1959.
Im Oktober 1959 konnten zwei Glocken geweiht werden: Die Bruder Klausen-Glocke der H. Rüetschi AG mit dem Bild der Dreifaltigkeits-Visionen des Heiligen ist eine Stiftung der Bauern von Cham und Hünenberg. Paten waren Johann Burri-Leu (1888–1973) vom Hubel, Hünenberg, und Louise Zimmermann-Moos (1925–2021) vom Kirchbühlhof. Die Sakramentsglocke zeigt Jesus mit dem Abendmahlkelch. Die Paten waren Andreas Boog (1917–1996) von der Löbern und Mathilde Baumgartner-Ulrich (1903–1986) aus Enikon.
Die Glocken wurden nach ihrer Ankunft von Aarau her in Sins AG zwei- und vierspännig, mit Girlanden geschmückt, in einem wahren Triumphzug auf den Chamer Kirchenplatz geführt. Ein Mädchen und ein Knabe trugen mächtige Blumensträusse vor dem Festzug und übergaben sie als Sympathie-Kundgebung den protestantischen und katholischen Pfarrherren. Der kirchlichen Zeremonie am Sonntag folgte der Glockenaufzug durch die Schuljugend.
Das Chamer Geläute mit seinen Glocken besitzt die Klangfolge gis, h, dis', fis', gis', h', dis'. [12] «Der Viertelstundenschlag bildet seiner hohen Tonlage wegen eine schnelle Tonfolge. Mächtig setzt gleich zweimal der Stundenschlag ein. Dramatisch wird es am Samstagmittag um 16 Uhr, wenn nach den Stundenschlägen das ganze, 11'587 kg schwere Geläute einsetzt». [13]
Die beiden Glocken unterwegs von Aarau nach Cham im Oktober 1959
Die Feuerwehr besteigt den Kirchturm 1959
Für die Renovation des Chamer Kirchturms erstellte eine Luzerner Spezialfirma ein Stahlrohrgerüst mit einer Höhe von 73 Metern. Die Feuerwehr nutzte die Gelegenheit, um sich ein Bild der Baukonstruktion zu machen – sollte der Fall eines Turmbrandes eintreten. Gleichzeitig wurden auf der Kanzel des Turms Druckversuche durchgeführt. Dazu wurden Schlauchleitungen aufgezogen und oben mit Messrohren der jeweilige Druck registriert. Die Ergebnisse fielen sehr zufriedenstellend aus. Im Falle eines Brands hätte man dem Turm wie auch dem Estrich genügend Wasser zuführen können, hielt der Leiter dieser Übung, Quartiermeister Robert Achille Vienny (1916–1995), in seinem Bericht fest. [14]
Narrenmaske, Jakobiner oder Türkenkopf?
Filmdokument
Die Glocken der Pfarrkirche St. Jakob
Einzelnachweise
- ↑ Grünenfelder, Josef, Die Kunstdenkmäler des Kantons Zug, Neue Ausgabe, Bd. 2, Die ehemaligen Vogteien der Stadt Zug, Bern 2006, S. 75
- ↑ Vgl. Anmerkung 1 (Grünenfelder), S. 75f.
- ↑ Vgl. Anmerkung 1 (Grünenfelder), S. 76
- ↑ Der Zugerbieter, 21.01.1868
- ↑ Zuger Volksblatt, 22.01.1868
- ↑ Vgl. Anmerkung 1 (Grünenfelder), S. 78
- ↑ Vgl. Anmerkung 1 (Grünenfelder), S. 76
- ↑ Grünenfelder, Josef, Amt für Denkmalpflege, Tätigkeitsbericht 1974–1983, in: Tugium 1, 1985, S. 33
- ↑ Grünenfelder, Josef, Kirche St. Jakob, Kirchturm, in: Tugium 3, 1985, S. 17f.
- ↑ Hochuli, Stefan, Hoch hinaus: Höhenmasse historischer Türme im Kanton Zug, in: Tugium 36, 2020, S. 18
- ↑ Zuger Zeitung, 09.05.2017
- ↑ Vgl. Anmerkung 1 (Grünenfelder), S. 79f.
- ↑ Steiner, Hermann et al., Vom Städtli zur Stadt Cham. Geschichte und Geschichten einer Zuger Gemeinde, Cham 1995, S. 66
- ↑ Die Kirchturmbesteigung, Bericht von Lt. Robert A. Vienny Qm, 29.09.1959 (Quelle: Werder Charly, Cham, Chomereien)