Aerofiber
Nach dem Zweiten Weltkrieg entstand als Tochtergesellschaft der Papierfabrik Cham die Firma Aerofiber-Export. Sie stellte in Cham eine Art Kunststoff aus verleimten und getrockneten Papierbahnen her und vertrieb ihn weltweit. Neben anderen Produkten waren Koffer aus Aerofiber sehr gefragt, zum Beispiel bei der bekannten Marke Samsonite. 1987 schloss der Betrieb in Cham.
Chronologie
1941 Im Alter von 28 Jahren übernimmt Papierfabrikerbe Robert E. Naville (1913–2006), Sohn von Direktor Robert Naville-Vogel (1884–1970), die Firma Myco AG in Cham. Diese stellt Becher und Dosen aus Papierstoff her. Damit legt Naville junior den Grundstein für eine weitere Anwendung des Papierer-Wissens zugunsten einer neuen Produktepalette der Papierfabrik Cham. [1]
1947 Naville entwickelt und verkauft erste Produkte mit dem Namen Aerofiber. Er gibt ihnen diesen neuen Namen in Anlehnung an den bekannten Konkurrenten Vulkanfiber. [2] Für den Vertrieb gründet er die «Aerofiber-Export A. G.» offiziell am 26. Juni in Zürich. Ihr Firmenzweck lautet: «Ein- und Verkauf von industriellen Erzeugnissen sowie Rohwaren aller Art, insbesondere der Export von Aerofiber, ferner die Uebernahme von Vertretungen und die Beteiligung an kommerziellen und industriellen Unternehmungen sowie die Verwaltung von eigenen und fremden Vermögens». Im Verwaltungsrat sind Robert E. Naville und Rudolf Peter Walti. [3]
1953 Der Firmensitz wird von Zürich nach Cham verlegt. [4] Die Produktion der Aerofiber ist in der alten Fabrik an der Knonauerstrasse 6/8 untergebracht, in der früher die Anglo-Swiss Condensed Milk Company Käse und Kindermehl herstellte.
1962 Bei der Marke Nr. 187350 der Aerofiber AG wird die Warenangabe wie folgt präzisiert: «Kunststoffe für industrielle und technische Verarbeitung von Dichtungen, Gleitschienen, Rundstäben, Unterlagsringen, Rollen für Transportgeräte, Koffern, Transportbehälter, Spinnkannen, elektrotechnische Materialien, Rohrisolationen und Röhren». [5]
1966 Das Unternehmen an der Knonauerstrasse wirtschaftet erfolgreich. Die Aerofiber-Produkte sind vor allem im Ausland sehr erfolgreich: Die Exportquote beträgt 80 Prozent. [6]
1970 Die Konkurrenz und die technologischen Fortschritte nehmen zu. Reisekoffer der Konkurrenz werden zum Beispiel aus synthetischem Thermoplast hergestellt, Spinnkannen aus Polyäthylen. Trotzdem kann die Chamer Produktion ihr Volumen um 15 Prozent auf 1500 Tonnen steigern. [7]
1987 Andere Firmen haben mit ihren Kunststoffe die Aerofiber technologisch überholt. Die Produktion in Cham wird geschlossen. [8]
Das Verfahren
Die Aerofiber-Produkte sind Vorläufer der heutigen Kunststoffe und werden so hergestellt: Mehrere Papierbahnen werden mit einer wässrigen Lösung aus tierischem Leim und Melaminharzen getränkt, zusammen kaschiert und mit einem speziellen Verfahren getrocknet. So entsteht das hochverdichtete, hornartige Plattenmaterial. Die Aerofiber verarbeitet die bis zu vier Millimeter dicken Platten, indem diese heiss verformt, gebogen, verstanzt, lackiert oder geprägt werden. [9]
Eine Anekdote
Aerofiber eignet sich trotz der Verleimung und Härtung auch als Brennstoff. Bei der Schlosserfamilie Mächler, die in einer einfachen Wohnung an der Luzernerstrasse 18 wohnt, lebt auch ein Mitarbeiter der Aerofiber AG. Dieser brachte jeweils Resten aus der Fabrik mit nach Hause, welche die Familie verbrannte und damit die Wohnung heizte. [10]
Einzelnachweise
- ↑ Orsouw, Michael van, Der Zellstoff, auf dem die Träume sind – 350 Jahre «Papieri» Cham, Cham 2007, S. 121
- ↑ Vgl. Anmerkung 1 (van Orsouw), S. 121
- ↑ Schweizerisches Handelsamtsblatt (SHAB), Nr. 155, 07.07.1947
- ↑ Schweizerisches Handelsamtsblatt (SHAB), Nr. 149, 01.07.1953
- ↑ Schweizerisches Handelsamtsblatt (SHAB), Nr. 180, 04.08.1962
- ↑ Vgl. Anmerkung 1 (van Orsouw), S. 121
- ↑ Vgl. Anmerkung 1 (van Orsouw), S. 121
- ↑ Vgl. Anmerkung 1 (van Orsouw), S. 121
- ↑ Vgl. Anmerkung 1 (van Orsouw), S. 121
- ↑ Mündliche Auskunft von Peter Mächler, Cham, vom 06.09.2018