Niederwil 10/12, Haus Würsch-Weibel

Aus Chamapedia

Das Haus Niederwil 10/12 in einer frühen Aufnahme
Ansicht mit dem prächtigen Garten, 25.08.2013
Historisches Ensemble: die Liegenschaft Niederwil 10/12, das Kaplanenhaus (Niederwil 8) und Kirche St. Mauritius, 15.09.2013
Ein stattliches Gebäude, das Haus Weibel-Würsch, 04.04.2020

Das monumentale Haus Würsch-Weibel stammt aus dem 18. Jahrhundert und ist ein Doppelwohnhaus. Es weist unter dem tief hinabgezogenen Satteldach eine eindrückliche Hauptfassade auf. Weil die Liegenschaft quer zur Kirche und zum Kaplanenhaus steht, hat sie einen wichtigen Platz im Dorfgefüge von Niederwil. Mit dem grossen Südgarten gilt es als eines der schönsten Häuser des Weilers.


Chronologie

1737 Das Haus wird als Kantholzständerbau erstellt. Auf den Brüstungsbalken der Giebelkammern finden sich auf beiden Seiten Inschriften mit dem Baujahr 1737. [1]

1789 Die Eigentümer sind Karl Gretener sowie Karl Kaufmanns Nachkommen.

ca. 1810 bis 1813 Die Liegenschaft wird in der Breite um je zweieinhalb Meter erweitert; damit wird die Liegenschaft zum Doppelhaus mit zwei autonomen Hälften. Im Wohngeschoss ist Haus nun 10 Fensterachsen breit. [2] In der Folge bewohnten mehrere Generationen der Familie Kaufmann den östlichen Teil des Gebäudes (Ass.-Nr. 64, jetzt Niederwil 10) und betrieben neben der Landwirtschaft eine Schreinerei, in der nicht nur Möbel, sondern 1824 sogar ein Kontrabass gefertigt wurden. Der westliche Gebäudeteil (Ass.-Nr. 65, jetzt Niederwil 12) gehörte mehreren Generationen der Familie Baumgartner, die neben der Landwirtschaft als Schmiede bekannt waren.

1850 Aufgrund der Volkszählung ist bekannt, wer damals in der Doppelliegenschaft wohnt: Zum einen die Familie Marianna und Melchior Kaufmann-Baumgartner mit sieben Verwandten (Kinder, Enkel, Schwiegertochter); zum anderen die Familie Marianna und Basil Baumgartner-Kost mit drei ledigen Kindern. [3]

1862 Die Familie Würsch kommt von Oberrohrdorf AG nach Niederwil, kauft das Gut im «Hof» und betreibt vor allem Obstbau. Mit dem heutigen Haus Würsch hat die Familie noch nichts zu tun. [4]

1894 Die Gebrüder Baumgartner verkaufen ihren Hausteil an Peter Troxler senior. Die Schmiede wird stillgelegt (und viel später in ein Wohnhaus umgebaut). Die folgenden Besitzer sind Peter Troxler-Suter (1894–1973), Josef Fuchs-Villiger und deren Erben, sowie Albert Weibel. [5]

1895 Die Liegenschaft bekommt einen Anbau auf der Ostseite. [6] Darin vergrössert Jakob Kaufmann-Meier die seit vielen Jahren bestehende Schreinerei. [7]

1899 Anna Maria Elisabetha (1867–1937) und Josef Leonz Würsch-Kaufmann (1861–1954) heiraten am 6. Februar und übernehmen den östlichen Hausteil der Doppelliegenschaft von den Geschwistern Kaufmann. [8] Josefs Schwager Jakob Kaufmann-Meier (1866–1931) zieht an die Sinserstrasse in Cham. Das Landwirtschaftsgut «Hof» verkauft Josef Würsch den Gebrüdern Johann und Josef Leu aus Hohenrain LU. [9]

Die Familie Würsch-Kaufmann hat zwei Töchter, Elisa (1900–1965) und Karolina, und zwei Söhne, Josef (1905–1990) und Melchior (1907–1988). [10] Der älteste Sohn Josef übernimmt den Hof, der zweite bleibt ledig. Melchior Würsch werden verschiedene Ämter anvertraut: Er führt die Getreidesammelstelle und die Ackerbaustelle, zudem wirkt er als Präsident der Schützengesellschaft Hagendorn-Wil, schliesslich ist er als Milchwäger für den Braunviehzuchtverband unterwegs. [11]

1954 Josef heiratet Maria Würsch-Wyss (1919–2012). Die Beiden übernehmen den Hof, er ist damals bereits 51-jährig, sie 35-jährig. [12]

1981 Josef (*1948) und Bertha Würsch-Wallimann (*1960) übernehmen Hof und Gebäude. Sie haben vier Kinder: Ursula, Ruth, Bruno und Adrian. [13]

2013 Das angebaute Ökonomiegebäude auf der Nordseite wird zu einem Wohnhaus umgebaut. [14]

2016 Adrian Würsch (*1993) übernimmt den Gebäudeteil und den Bauernbetrieb von seinem Vater Josef. [15]

2020 Der westliche Hausteil (Niederwil 12) gehört Albert Karl Weibel aus Hünenberg, der östliche Hausteil (Niederwil 10) gehört Adrian Würsch. [16]

2024 Beide Hausteile sind im Inventar der schützenswerten Denkmäler der Gemeinde Cham eingetragen. [17]


Der besondere Maschinenantrieb

Drei Generationen der Familie Kaufmann auf der Liegenschaft Niederwil 10 betrieben eine Schreinerei: Heinrich und Melchior Kaufmann-Baumgartner (*1786/1788), Jakob Kaufmann-Baumgartner (*1820) und Jakob Kaufmann-Meier (*1866). [18] Für den Antrieb der Holzmaschinen hatten sie eine besondere Einrichtung. Hinter dem Haus stand eine Art Karussell, an das ein Ochse oder eine Kuh angebunden wurde. Wenn das Tier im Kreis trottete, drehte sich das Karussell, das seinerseits eine Eisenstange bewegte, welche die Transmissionen der Maschinen antrieb. Diese ausgeklügelte Einrichtung nannte man ganz einfach «Göpel». [19]


Der besondere Hausspruch

Am Brüstungsbalken der südlichen, kirchenzugewandten Giebelkammer steht der Spruch «17 GELOBT SEI IESVS CHRISTVS IN EWIGKEIT 37». Der Spruch auf der nördlichen, kirchenabgewandten Seite stimmt hingegen nachdenklich: «17 DAS HVS STOT IN GOTES GEWALT ES IST NIT BOVGEN DAS IEDERMAGEFALT 37». [20] Was ist davon zu halten, wenn die Bauherrschaft am Haus den Spruch anbringen lässt, das Haus sei nicht erbaut, um allen zu gefallen? War der Baustil nicht konform? Oder hätten die damaligen Dorfgenossen dort am liebsten gar kein Haus gehabt? Wir wissen es nicht, aber haben ein interessantes Rätsel voller Anspielungen. [21]


Würdigung

Das Haus Weibel-Würsch bildet mit der Kirche St. Mauritius und dem Kaplanenhaus das «Herzstück des einzigartig intakt gehaltenen Bauernweiler Niederwil». [22] Dabei gilt das Haus Würsch als «eines der schönsten Häuser». [23]


Personen


Aktueller Kartenausschnitt

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Einzelnachweise

  1. Amt für Denkmalpflege und Archäologie des Kantons Zug, Inventar der schützenswerten Denkmäler, Datenblatt Niederwil 10 [Stand: 25.02.2020]
  2. Grünenfelder, Josef, Die Kunstdenkmäler des Kantons Zug, Neue Ausgabe, Bd. 2, Die ehemaligen Vogteien der Stadt Zug, Bern 2006, S. 170. Gattiker, Werner et al., Mauritius, Milch & Münsterkäse. 100 Jahre Milchgenossenschaft Niederwil-Cham, Schwyz 2013, S. 139f.
  3. Staatsarchiv Zug, Volkszählung 1850, Liegenschaften Ass. Nr. 64 und 65
  4. Vgl. Anmerkung 2 (Gattiker et al.), S. 139
  5. Staatsarchiv Zug, G 617.6.1, G 617.6.2, Assekuranzregister
  6. Brunner, Roman, Cham, Niederwil 10, Wohnhaus/Ökonomiegebäude, Umbau und Kurzdokumentation, in: Tugium 30, 2014, S. 35
  7. Vgl. Anmerkung 6 (Brunner), S. 39
  8. Handschriftlicher Stammbaum der Familie Würsch, erstellt und freundlicherweise zur Verfügung gestellt von Josef Würsch, 01.04.2020
  9. Zuger Volksblatt, 07.03.1899. Vgl. Anmerkung 2 (Gattiker et al.), S. 140
  10. Handschriftlicher Stammbaum der Familie Würsch, erstellt und freundlicherweise zur Verfügung gestellt von Josef Würsch, 01.04.2020
  11. Vgl. Anmerkung 2 (Gattiker et al.), S. 140
  12. Handschriftlicher Stammbaum der Familie Würsch, erstellt und freundlicherweise zur Verfügung gestellt von Josef Würsch, 01.04.2020
  13. Vgl. Anmerkung 2 (Gattiker et al.), S. 141
  14. Vgl. Anmerkung 6 (Brunner), S. 35
  15. Handschriftlicher Stammbaum der Familie Würsch, erstellt und freundlicherweise zur Verfügung gestellt von Josef Würsch, 01.04.2020
  16. www.zugmap.ch, Einträge Grundstücknummern 826 und 827 [Stand: 16.04.2020]
  17. Amt für Denkmalpflege und Archäologie des Kantons Zug, Inventar der schützenswerten Denkmäler der Gemeinde Cham, Grundstücknummern 826 und 827 [Stand: 11.04.2024]
  18. Freundliche Mitteilung von August Sidler, Cham, 15.12.2021
  19. Vgl. Anmerkung 2 (Gattiker et al.), S. 140f.
  20. Vgl. Anmerkung 2 (Grünenfelder), S. 170
  21. Furrer, Benno / Grünenfelder, Josef, Häuser am Weg 3 [Faltprospekt]: Bibersee – Niederwil – Rumentikon, Baar 2006
  22. Amt für Denkmalpflege und Archäologie des Kantons Zug, Inventar der schützenswerten Denkmäler, Datenblatt Niederwil 10 [Stand: 25.02.2020]
  23. Vgl. Anmerkung 2 (Gattiker et al.), S. 140