Niederwil 8, Kaplanenhaus

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Das Kaplanenhaus, 2013
Kaplanenhaus, undatiert (1. Hälfte 20. Jahrhundert)


Das elegante und stattliche Gebäude wird 1746 erbaut. Von 1747 bis 1898 dient es als erstes Schulhaus von Niederwil. Die innere Bausubstanz stammt aus der Mitte des 18. Jahrhunderts. Die Schindelverkleidung und die hochrechteckigen Fenster werden in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts angebracht respektive eingebaut.


Chronologie

1735 Die Gemeinden Niederwil und Rumentik gelangen an den Zuger Stadtrat. Sie möchten eine Schulmeisterstelle stiften und in der Kapelle auch jährlich eine Messe lesen lassen. Das Gesuch wird genehmigt. [1]

1746 Die Niederwiler Kapellengenossen stiften eine Kaplaneistelle (Kaplaneipfrund). Gleichzeitig wird nordwestlich der Kirche St. Mauritius ein Kaplanenhaus gebaut, das dem ersten Kaplan, dem Einheimischen Beat Oswald Baumgartner (1722–1795), als Wohnhaus dient. [2] Der Rat der Stadt Zug gibt die Erlaubnis für den Bau, unter der Voraussetzung, dass die Niederwiler das Pfrundhaus selbst unterhalten. Die Niederwiler erhalten 20 Stöcke Holz aus dem Herrenwald, 10 Malter Kalk und 2000 Ziegel gratis sowie weitere 8000 Ziegel zum Vorzugspreis der Zuger Stadtbürger. [3]

1747 Im Frühjahr 1747 ist das Gebäude wohl fertiggestellt. Das hohe, gemauerte Sockelgeschoss verleiht dem Haus ein elegantes, stattliches Aussehen. [4] Im Erdgeschoss wird eine Schulstube für die Kinder von Niederwil und der umliegenden Bauernhöfe eingerichtet. Es ist eine Winterschule (von Weihnachten bis Ende März). Der Schulbesuch ist freiwillig, der Unterricht findet täglich statt und dauert vier Stunden. Die Niederwiler Jugend – sämtliche Jahrgänge in einer Klasse zusammengefasst – wird vom Kaplan in Schreiben, Lesen und Religion unterrichtet. Erst mit der Schulreform der Helvetik kommen nach 1800 Fächer wie Rechnen oder Sittenlehre dazu. [5]

1788 Es braucht neue Dachziegel für das Kaplanenhaus. Der Zuger Stadtrat gewährt den Niederwilern 500 Stück. [6]

1850 Das erste kantonale Schulgesetz verlangt die Ausdehnung auf 42 Wochen Schulunterricht im Jahr und schreibt 25 wöchentliche Schulstunden vor. [7]

Zu einem unbekannten Zeitpunkt nach 1850 erhält das Haus eine Schindelverkleidung und in vier Geschossen einzelne, hochrechteckige Fenster mit Sechsereinteilung. [8]

1887 Kaplan Bernhard Jakob Zehnder (1843–1895) ist der letzte Priester, der in Niederwil unterrichtet. Die Schülerzahlen steigen kontinuierlich an. Dieses Wachstum und der schlechte Zustand der Schulstube im Kaplanenhaus veranlassen die kommunalen und kantonalen Behörden, in den Jahren 1897 und 1898 ein neues Schulhaus bauen zu lassen. [9]

1969 Mit Johann Bünter verlässt der letzte Kaplan das Kaplanenhaus. In 222 Jahren lebten 22 Kapläne in Niederwil, am längsten gleich der erste Kaplan, nämlich der erwähnte Beat Oswald Baumgartner, von 1747 bis 1795. [10]

1985 Die Liegenschaft wird aussen sanft restauriert. Man verzichtet auf die Beseitigung der Veränderungen aus dem 19. Jahrhundert. Innen wird das ehemalige Kaplanenhaus teilweise nach ausgebaut. [11]

2005 Die Liegenschaft wird erneut restauriert. [12]

2020 Der Kirchenrat will die Liegenschaft sanieren. Er präsentiert ein Projekt über 620'000 Franken, um die Aussenfassade des Hauses umfassend zu erneuern. So sollen u.a. die stark verwitterten, gestrichenen Holzschindeln durch druckimprägnierte Lärchenschindeln ersetzt sowie die ganze Fassade neu gestrichen werden. Die alte Ölheizung von 1990 wird durch eine Erdsondenwärmepumpe ersetzt. [13]

2021 Das Kaplanenhaus wird unter Denkmalschutz gestellt. Es ist im gemeindlichen Inventar der geschützten Denkmäler enthalten. [14]


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Einzelnachweise

  1. Bürgerarchiv Zug, A 39.26.24.579, Ratsprotokolle der Stadt Zug 1735, S. 185 (05.11.1735); A 39.26.24.588, S. 189 (12.11.1735); A 39.26.24.655, S. 209 (10.12.1735)
  2. Pfarrarchiv / Kirchgemeindearchiv Cham-Hünenberg, A 1/472, A 1/473
  3. Bürgerarchiv Zug, A 39.26.28.188, Ratsprotokolle der Stadt Zug 1746–1750, fol. 21v (27.05.1746); A 39.26.28.337, fol. 39v (29.10.1746)
  4. Grünenfelder, Josef, Die Kunstdenkmäler des Kantons Zug, Neue Ausgabe, Bd. 2, Die ehemaligen Vogteien der Stadt Zug, Bern 2006, S. 168f.
  5. Gattiker, Werner et al., Mauritius, Milch & Münsterkäse. 100 Jahre Milchgenossenschaft Niederwil-Cham, Schwyz 2013, S. 94f.
  6. Bürgerarchiv Zug, A 39.26.35.84, Ratsprotokolle der Stadt Zug 1788–1791, fol. 9r (05.04.1788)
  7. Vgl. Anmerkung 5 (Gattiker et al.), S. 95
  8. Vgl. Anmerkung 4 (Grünenfelder), S. 168f. Eventuell besteht ein Zusammenhang mit Kostenvoranschlägen und Verträgen der Schreinermeister Heinrich und Jakob Kaufmann aus dem Zeitraum vom 01.03.1849 bis zum 27.05.1871. Pfarrarchiv / Kirchgemeindearchiv Cham, B 1/1220–1221
  9. Vgl. Anmerkung 5 (Gattiker et al.), S. 95f.
  10. Pfarrarchiv / Kirchgemeindearchiv Cham-Hünenberg, A 1/514–A 1/516
  11. Pfarrarchiv / Kirchgemeindearchiv Cham-Hünenberg, B 1/1227–B 1/1230. Tätigkeitsberichte der kantonalen Denkmalpflege, in: Tugium 2, 1986, S. 34
  12. Pfarrarchiv / Kirchgemeindearchiv Cham-Hünenberg, ohne Signatur
  13. Katholische Kirchgemeinde Cham-Hünenberg, Vorlage zur Kirchgemeindeversammlung vom 30.11.2020. Konrad, Lisa / Tschirky, Oliver, Cham, Niederwil, Kaplanenhaus, Fassadensanierung und Badeinbau, in: Tugium 38, 2022, S. 41f.
  14. Amt für Denkmalpflege und Archäologie des Kantons Zug, Inventar der geschützten Denkmäler der Gemeinde Cham, Grundstücknummer 828 [Stand: 15.05.2024]