Heilpädagogisches Zentrum Hagendorn
Zuerst war es eine Kinderarbeitsanstalt, dann ein Waisenhaus, später eine Erziehungsanstalt, bis daraus das Heilpädagogische Zentrum Hagendorn wurde. Heute werden dort beeinträchtige Kinder geschult und auf das selbstständige Leben vorbereitet.
Chronologie
1889 Regula Wildhaber (1862–1947), Kandidatin bei den Menzinger Lehrschwestern, lässt sich zur Arbeitslehrerin ausbilden und wird von Oberin Aurelia ins «Kinder-Erziehungsheim Hagendorn», bis 1888 eine Kinderarbeitsanstalt entsandt. Während 40 Jahren bleibt Schwester Regula Oberin im Kinderheim in Hagendorn. Daneben wirkt sie als Handarbeitslehrerin an den Hagendorner Schulen. [1]
1933 Die Papierfabrik Cham schenkt das Kinderheim an der Lorzenweidstrasse in Hagendorn der neu gegründeten «Stiftung Erziehungsanstalt Hagendorn». [2] Damit ist der erste Grundstein für das heutige «Heilpädagogische Zentrum Hagendorn» gelegt.
Am 16. März wird die «Stiftung Erziehungsanstalt Hagendorn» errichtet. «Ihr Zweck ist der Fortbetrieb und die Ausgestaltung der Kindererziehungsanstalt Hagendorn, in welcher etwa 100 katholische Kinder vom 2. bis 15. Jahre Aufnahme, Verpflegung und eine sittlich-religiöse Erziehung finden sollen. Bei der Aufnahme von Kindern sollen solche aus den Gemeinde Cham und Hünenberg in erster Linie berücksichtigt werden. Die Anstalt ist verpflichtet, auf der Wunsch der Papierfabrik Cham A.-G. bis 10 Kinder der dortigen Arbeiterschaft zu den üblichen Bedingungen aufzunehmen.» Der erste Stiftungsrat wird präsidiert vom Chamer Pfarrer Anton Müller (1878–1939), weitere Mitglieder sind Robert Naville (1884–1970), Direktor der Papierfabrik, sowie Xaver Schmid (1885–1951), Rechtsanwalt und Stadtpräsident von Zug. [3]
Im gleichen Jahr wird anstelle des alten Kinderheims an der Lorzenweidstrasse 1 der grosse Neubau (Ass.-Nr. 352a) als Hauptgebäude erstellt: Der Zuger Architekt Emil Weber (1879–1945) plant das blockhaft wirkende Haus mit L-förmigen Grundriss. [4] Schwester Regula leitet den Neubau der Kinderanstalt Hagendorn und der Herz-Jesu-Kapelle: «Sie war ja ihr Leben lang eine besondere Verehrerin des Herzens Jesu, eine begnadete Beterin, deren Vertrauen nie und durch nichts erschüttert wurde.» [5] Damit stehen nun drei Gebäude für die rund 80 Kinder zur Verfügung: das neu erstellte Haupthaus, das Schulhaus und die Kapelle.
1937 Schwester Regula ist 75 Jahre alt und nach 48 Jahren Arbeit mit Kindern müde. Sie zieht sich nach Menzingen ins Haus Carmel zurück. [6] «Auch diese Ruhe war kein Müssigsein, sie betete für alle ihre Nahestehenden, für alle, die einst in ihrer Erziehung gestanden und sie strickte mit ihren altgewordenen Händen für Warme und Waisenkinder.» [7] Im gleichen Jahr wird das Schulhaus von 1908 abgerissen. [8]
1953 Aus der Erziehungsanstalt Hagendorn wird nun eine Heimschule für geistig behinderte Kinder. [9] Damit wird aus dem einstigen Waisenheim eine selbstständige Schule. Damals nannte man die lernbehinderten Kinder – politisch unkorrekt – «Schwachbegabte». [10]
1962 Die erste weltliche Lehrerin wird angestellt; sie wird von der Erziehungsdirektion des Kantons Zug besoldet. [11]
1963 Die Heimschule für geistig behinderte Kinder wird zur heilpädagogischen Sonderschule mit Internat. [12]
1978 Die heilpädagogische Sonderschule Hagendorn ist sehr beliebt, so dass eine Fachzeitung von «prekären Platzverhältnissen» schreibt. Deshalb plant die Stiftung Sonderschule Hagendorn neue Wohnhäuser für die Kinder und die Erzieherinnen, einen Turnhallentrakt und Angestelltenwohnungen. Dank Beiträgen von Bund, Kanton Zug und den Gemeinden Cham, Steinhausen, Risch und Hünenberg soll dies ermöglicht werden. [13]
1980 Die letzten Menzinger Schwestern verlassen die Schule in Hagendorn. [14] Der Orden hat seit 1864 in Hagendorn mitgewirkt, zuerst bei der Kinderarbeitsanstalt, dann beim Kinderheim, später bei der Erziehungsanstalt und zuletzt in der Heimschule.
1984 Die Kapelle von 1929, die nördlich des Hauptgebäudes an der Strasse gegenüber des Schulhauses steht, wird abgerissen. [15]
1985 Die länger geplanten Neubauten werden Realität: Hinzu kommen vier Gruppenhäuser, Personalhäuser, die Turnhalle, der Mehrzweckraum und neue Ökonomieräume. Damit stehen nun 47 Schul- und 20 Internatsplätze zur Verfügung. [16]
1999 Der Ausbau der Sonderschule geht weiter: Die Verwaltung kommt ebenso in einen Neubau wie zwei weitere Wohngruppen, dazu wird das Schulhaus saniert. Insgesamt stehen jetzt 50 Schul- und 30 Internatsplätze zur Verfügung. [17]
2001 Die «Sonderschule Kinderheim Hagendorn» nennt sich neu «Heilpädagogisches Zentrum Hagendorn». Das Motto lautet: «Es ist normal, verschieden zu sein.» Verstärkt werden soll die Integration in die Regelschule, wobei das Zentrum heilpädagogischen Support anbietet. [18]
2003 In Menzingen wird (in Räumlichkeiten der Stiftung Maihof) als Aussenstation die Orientierungsstufe «Perron 16» für Jugendliche zwischen 15 und 18 Jahren, eingerichtet. [19]
2006 Das Heilpädagogische Zentrum bekommt einen sensorischen Garten. Darin können die Kinder ohne Anleitung und Verbote eigene Erfahrungen im Gelände machen und «ihre Grenzen selbst kennenlernen». [20]
2014 Das Heilpädagogische Zentrum feiert sein 125-Jahr-Jubiläum mit einem grossen Fest am 20. September. Die Institution bietet Platz für rund 40 Internats- und 75 Schulplätze. Das Unternehmen hat rund 125 Mitarbeitende. [21]
2017 Alle Wohngruppen werden wieder in Hagendorn zusammengeführt. Es werden 70 bis 75 Schüler mit einer geistigen und teilweise schweren Mehrfachbehinderung von rund 140 Angestellten gepflegt, betreut und unterrichtet. Rund 30 davon leben im Internat, rund 45 sind in den gemeindlichen Schulen integriert. [22]
2018 Das alte Schulhaus von Architekt Weber wird innen saniert und um einen Anbau für die rollstuhlgängige Erschliessung erweitert. Dazu werden gedeckte Aussenbalkone angebaut, die im Sommerhalbjahr als Aussenschulraum genutzt werden. [23]
2019 Am 12. März ist der Spatenstich für das Bauprojekt. [24]
2023 Das Schulhaus von 1933 ist im Inventar der schützenswerten Denkmäler der Gemeinde Cham aufgeführt. [25]
Aktueller Kartenausschnitt
Einzelnachweise
- ↑ Zuger Nachrichten, 03.11.1947
- ↑ Orsouw, Michael van, Der Zellstoff, auf dem die Träume sind. 350 Jahre Papieri Cham, Cham 2007, S. 50
- ↑ Schweizerisches Handelsamtsblatt 51, 1933, Eintrag vom 06.05.1933
- ↑ Grünenfelder, Josef, Die Kunstdenkmäler des Kantons Zug, Neue Ausgabe, Bd. 2, Die ehemaligen Vogteien der Stadt Zug, Bern 2006, S. 161
- ↑ Zuger Nachrichten, 03.11.1947
- ↑ Zuger Kalender 1938, Chronik 01.01.1937
- ↑ Zuger Nachrichten, 03.11.1947
- ↑ Grünenfelder, Josef, Die Kunstdenkmäler des Kantons Zug, Neue Ausgabe, Bd. 2, Die ehemaligen Vogteien der Stadt Zug, Bern 2006, S. 161
- ↑ Vgl. Anmerkung 8 (Grünenfelder), S. 161
- ↑ Staatsarchiv Zug, Dossier CE 35.5.46, Errichtung einer Abteilung für Schwachbegabte im Kinderheim Hagendorn Cham
- ↑ www.hzhagendorn.ch [Stand: 16.04.2020]
- ↑ Fachblatt für schweizerisches Heimwesen, Band 49, 1978
- ↑ Fachblatt für schweizerisches Heimwesen, Band 49, 1978
- ↑ Vgl. Anmerkung 8 (Grünenfelder), S. 161
- ↑ Vgl. Anmerkung 8 (Grünenfelder), S. 161
- ↑ www.hzhagendorn.ch [Stand: 16.04.2020]
- ↑ Zuger Nachrichten, 19.11.1999
- ↑ Neue Zuger Zeitung, 21.06.2001. Neue Zuger Zeitung, 27.09.2001
- ↑ Zuger Zeitung, 18.12.2018
- ↑ Corts, Katinka, Ungehindert spielen, in: Tec21, 14/2008, S. 22–26
- ↑ Zuger Presse, 17.09.2014
- ↑ Zuger Zeitung, 18.12.2018
- ↑ Zuger Zeitung, 18.12.2018
- ↑ Zuger Zeitung, 13.03.2019
- ↑ Amt für Denkmalpflege und Archäologie des Kantons Zug, Inventar der schützenswerten Denkmäler, Grundstücknummer 879 [Stand: 29.06.2023]