Festspiel «Bilder us de Gschicht vo Cham», 1958

Aus Chamapedia

Festspiel der Chamer 1100-Jahr-Feier
Schlussszene des Festspiels an der 1100-Jahr-Feier

1958 fand die 1100-Jahr-Feier der Gemeinde Cham statt. Zu diesem Anlass gab die Gemeinde Cham ein Festspiel in Auftrag. Es trägt den Titel «Bilder us de Gschicht vo Cham». Dieses Festspiel wurde im Rahmen der Feier «1100 Jahre Cham» am 12. und 13. Juli 1958 zweimal aufgeführt.


Entstehung

Zur 1100-Jahr-Feier gibt die Gemeinde Cham ein Festspiel in Auftrag. Es trägt den Titel «Bilder us de Gschicht vo Cham». Der Text stammt von Fridolin Stocker (1898–1964), die Musik von Guido Fässler (1913–1995). [1]


Der Textdichter

Fridolin Stocker war Lehrer in Zug, Unterägeri und im Freiamt. Er war Vorstandsmitglied des Innerschweizer Schriftstellervereins und Zentralpräsident der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft für Wanderwege. Er verfasste Wanderbücher, kulturgeschichtliche Beiträge und viele Mundartstücke, wie eben 1958 die «Bilder us de Gschicht vo Cham». 1966 wurde ihm zu Ehren für seinen Einsatz für das Wanderwesen auf dem Gottschalkenberg ein Gedenkstein errichtet.


Der Komponist

Die Musik für das Festspiel kommt vom Komponisten Guido Fässler. Er stammte aus dem Appenzellischen, war ursprünglich Primarlehrer, studierte dann an der Musikakademie Zürich und gelangte 1951 nach Luzern. Dort unterrichtete er am städtischen Lehrerseminar und an der Akademie für Schul- und Kirchenmusik. Er komponierte viele Werke, vor allem Chormusik, und leitete verschiedene namhafte Chöre. 1976 erhielt er den Kunstpreis der Stadt Luzern. [2] Fässler hat zu jedem Bild Musik für einen dreistimmigen Chor, zwei Trompeten, zwei Hörner und eine Trommel komponiert. Abschluss des Spiels bildet das Chomer Lied.


Aufbau und Inhalt

Das Spiel umfasst fünf Bilder. Zwischenspiele, in denen ein Chronist und Schulkinder auftreten, schaffen die Verbindung zwischen den einzelnen Bildern.


Vorspiel

Chamer Schulkinder beobachten, wie die Akteure des ersten Bildes die Szenerie betreten. Sie necken sich, sie bestaunen die herrschaftlichen, fremden Gewänder und mutmassen, was sich hier abspielen wird. Sie wenden sich an den Chronisten, der wie die Kinder im Vorspiel und in den Zwischenspielen auftritt. Er hat die Aufgabe, den historischen Kontext zu beleuchten. Der Chronist erzählt den Kindern, dass der ostfränkische König Ludwig der Deutsche (um 805–876) im Jahr 858 Cham als Lehen an das Fraumünster (1524 aufgehobene Benediktinerinnenabtei) in Zürich übergeben habe, und dass die Kinder diesen Akt nun miterleben können.


1. Bild: Schenkung des Königshofes Cham an die Frauenabtei in Zürich

Auf der Burg bereitet man sich auf die Ankunft des Königs vor, der Cham der Äbtissin Berta (vor 839–877) vom Zürcher Fraumünster übergeben will. Berta ist seine Tochter. Die Frauen üben einen höfischen Tanz. Die Männer kommen von der erfolgreichen Bärenjagd zurück. Der Bär soll beim Festmahl zu Ehren des Königs aufgetischt werden. Der König trifft ein und übergibt Cham in einem feierlichen Akt als Lehen an die Äbtissin Berta. Rudolf wird als Meier (Verwalter) eingesetzt. Jörg, der Sohn eines Knechts, der bei der Bärenjagd besonderen Mut gezeigt hat, erhält vom König die Freiheit.


1. Zwischenspiel

Die Schulkinder sind beeindruckt und bedauern, dass die schöne Szenerie schon zu Ende ist. Sie loben Ludwig als guten König und wollen wissen, wie es Cham in der Folge ergangen sei. Der Chronist kann den Kindern über die nächsten 500 Jahre nur wenig sagen. Das Fraumünster hatte seine Lehensrechte über Cham weitergegeben. 500 Jahre später ist Gottfried von Hünenberg (gest. 1387) Lehensherr auf St. Andreas. Die Kinder weisen darauf hin, dass St. Andreas eine Stadt gewesen sei. So hätten sie es in der Schule gelernt. Sie fragen nach, wieso es am nördlichen Ufer des Zugersees zwei Städte gegeben habe, Zug und St. Andreas. Der Chronist berichtet, dass St. Andreas gegründet worden sei, als die Habsburger Zug an Schwyz verloren hatten. Er berichtet, dass Cham im 14. Jahrhundert eine Zeit voller Neid und Hass erlebt habe.


2. Bild: Die Stadt St. Andreas bei Cham

In Cham ist Markttag, aber der Markt floriert nicht. Man spricht darüber, dass die Zuger und Schwyzer verhindern wollen, dass das Städtchen St. Andreas als Markt- und Transitort an Bedeutung gewinnt. Von Steinhausen her nähert sich ein Zug von Kriegern. Es sind die Habsburger, die neuen Herren von St. Andreas. Gottfried von Hünenberg muss St. Andreas den Habsburgern überlassen.


2. Zwischenspiel

Die Kinder kritisieren die Eidgenossen. Der Chronist korrigiert und sagt, dass die Habsburger den Verkehr Richtung Zürich blockieren und so die Eidgenossenschaft in die Knie zwingen wollten. Habsburg wollte St. Andreas zur Festung gegen die Eidgenossenschaft ausbauen. So sahen sich die Eidgenossen gezwungen, habsburgische Städte wie Meienberg und Rothenburg zu erobern oder – wie in St. Andreas – wirtschaftlich zu isolieren.


3. Bild: Cham im Besitz der Stadt Zug (1388)

Die Stadt Zug hat nun in Cham das Sagen. Das dritte Bild beginnt mit einem Spottlied auf die Habsburger. Die Zuger, die neuen Herren über Cham, gehen freundlich um mit den Chamern. Sie leiten die Knaben im Schiessen mit der Armbrust an und fragen sie, ob sie als junge Männer bereit wären, sich gegen habsburgische Angriffe zu verteidigen. Ein Bote erscheint und berichtet von einem Gemetzel der Habsburger an der Reuss, dabei seien Zuger Krieger gestorben oder schwer verletzt worden. Die habsburgische Gefahr ist also mit der Machtübernahme der Zuger keineswegs gebannt.


3. Zwischenspiel

Der Chronist berichtet, dass es sechs Jahre gedauert habe, bis die habsburgische Bedrohung endgültig vorüber war. Die Kinder freuen sich, dass die Eidgenossen sich durchgesetzt haben. Der Chronist relativiert und erinnert die Kinder daran, dass die Chamer nicht frei waren, sondern Untertanen der Zuger. Das Städtchen St. Andreas, das Marktrecht, der Handelsweg über Cham, all dies sei nun unwiederbringlich vorbei gewesen. Nun besinnen sich die Kinder auf die Gegenwart. Cham sei heute frei, die Chamer gleichberechtigt und nicht mehr Untertanen. Sie fragen, was diese Veränderung herbeigeführt hat.


4. Bild: Cham gewinnt die Freiheit

In Cham ist Gerichtstag. Der Zuger Vogt fällt harte Urteile. Die Chamer stellen sich dem Vogt und damit der zugerischen Herrschaft entgegen. Sie sprechen darüber, dass es in der Eidgenossenschaft rumore und dass die Franzosen anrücken (Franzoseneinfall). Bern sei gefallen, die Franzosen hätten dort die Macht übernommen. Die Chamer sind unsicher, was sie von den Franzosen halten sollen. Sind sie Befreier oder Besatzer? Ein Bote aus Zug erscheint in Cham und teilt mit, dass in Zug die Befreiung der Untertanen gefordert worden sei. Die Zuger seien auf diese Forderung eingegangen und hätten die Untertanenverhältnisse aufgehoben. Da verbreitet sich die Botschaft, dass die Franzosen in Kürze Cham erreichen werden.


4. Zwischenspiel

Der Chronist zeigt den Kindern das wahre Gesicht der Franzosen, sie waren Plünderer, Brandschatzer und Vergewaltiger. Es habe lange gedauert, bis diese Wunden verheilt waren.


5. Bild: Cham in der Gegenwart

Die Chamerinnen und Chamer erzählen von ihrer Arbeit, ihrem Fleiss, ihrem Einsatz für die Gemeinschaft. Zuerst treten die Bauern und Handwerker auf, später einzelne Figuren wie ein Arzt, ein Lehrer, ein Polizist, gegen Schluss die Fabrikarbeiter der Gemeinde. Durch die wirtschaftliche und politische Freiheit Chams und den Fleiss aller Menschen ist Cham zu einem blühenden Ort geworden. Der Chronist betont dies gegen Schluss des Spiels. Am Schluss tritt der Meier von Cham nochmals auf. Er, der im Auftrag des Fraumünsters Cham verwaltet hatte, ist gleichsam der erste Chamer Politiker. Er ruft die Chamer auf, ihre Geschichte nie zu vergessen und nie dem Müssiggang zu verfallen.

Das Spiel endet mit dem Chomer Lied, in dem gemeinsam das Glück besungen wird, an einem so schönen Ort leben zu dürfen.


Die Aufführung

Das Festspiel wurde zweimal im grossen Festzelt im Hirsgarten aufgeführt, am Samstag, 12. Juli und am Sonntag, 13. Juli 1958. [3] Regie führt der Chamer Papeterist Johann Josef Bühlmann (1919–2005), das Bühnenbild stammt vom Chamer Kunstmaler und Restaurator Hans Baggenstos (1921–1975). [4] Folgende Besetzungen sind bekannt: Bruno Flüeler als König Ludwig, Adolf Durrer (*1942) als Meier von Cham, Trudi Erzinger (1944–2001) als Frau des Meiers, Heinz Greter als Hänsli, Sohn des Meiers, Lena Durrer-Anklin (*1944) als Hoffräulein Kunigunde. [5] Schauspielerinnen und Schauspieler waren auch Sekundarschüler aus Cham. Auf einer Bühne vor viel Publikum zu spielen, war für sie eine grosse Herausforderung. Die Proben fanden in der Turnhalle Kirchbühl neben dem alten Gemeindehaus statt. [6] Der Chor und die Bläsergruppe wurden von Walter Kälin-Schönbächler (1914–1984), Lehrer in Niederwil, geleitet.


Würdigung

Fridolin Stocker hält sich in der grossen Linie an die Darstellung der Geschichte Chams durch den Zuger Historiker Eugen Gruber (1900–1989) im Zuger Neujahrsblatt 1958 [7] und im Werk Geschichte von Cham. [8] Einiges ist der Dramaturgie geschuldet. So reist Ludwig der Deutsche im Festspiel nach Cham, um das Lehen seiner Tochter zu übergeben. Ein solcher Besuch hat sicher nie stattgefunden. Königlicher Besuch ist ein verbreiteter Topos. Damit will man die Bedeutung eines Ortes betonen. Heute ist man sich sicher, dass auch Karl der Grosse (747–814) nie in Zürich war, auch wenn sich um seinen angeblichen Besuch in Zürich viele Legenden gebildet haben.

Interessant ist, wie Stocker die unterschiedlichen Herren über Cham darstellt. Die Habsburger und die Franzosen kommen schlecht weg. Die Habsburger werden gleich charakterisiert wie im Tell-Mythos: Sie bedrohen den inneren Frieden. Die Zuger werden als gute Herren dargestellt. Als die Zuger Soldaten St. Andreas übernehmen, bringen sie den Kindern das Schiessen mit der Armbrust bei. Sie machen die Chamer Knaben gleichsam zu Tellensöhnen, damit zu Eidgenossen und zu Feinden Habsburgs. Im 5. Bild, vor dem Einmarsch der Franzosen, beklagen die Chamer Untertanen die Fremdbestimmung durch die Zuger. Weil sich die Franzosen aber als rücksichtslose Besatzer herausstellen, erscheint die zugerische Herrschaft als vergleichsweise human. Zudem hat Zug ja Einsicht gezeigt und die Untertanenverhältnisse von sich aus aufgelöst. Amüsant ist, dass der Meier von Cham in seinem Schlusswort Cham 100 Jahre älter macht, nämlich 1200 Jahre – eine kleine Pointe oder ein Fehler?


Rezeption in der Lokalpresse

Die Zuger Nachrichten stellen dem Autor, dem Komponisten, der Regie, dem Gestalter des Bühnenbildes, den Musikern und allen Ausführenden ein gutes Zeugnis aus. Besonders hervorgehoben wird die Herausforderung, auf der sehr breiten Bühne zu spielen. Sehr gelobt werden die Einzelszenen, in den Massenszenen gibt es laut Zuger Nachrichten «da und dort tote Stellen, indem die zuschauenden Spielerscharen zu wenig in Bewegung gesetzt waren. Ein Arrangeur im Hintergrund hätte gute Dienste geleistet.» [9]

Auch das Zuger Volksblatt findet lobende Worte: «Dieses auf die Geschichte von Cham Bezug nehmende Festspiel verdiente nach Form und Gestaltung alle Anerkennung». [10]


Umschlag und 3. Bild «Spottlied»

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Einzelnachweise

  1. «Bilder us de Gschicht vo Cham, Es Spili zu dr Ölfhundertjohrfyr vo Cham, vom Fridolin Stocker mit Musig vom Guido Fäßler», gedruckt in der Buchdruckerei J. Meienberg, Cham (o.J.)
  2. Urs Fässler, in: Innerrhoder Geschichtsfreund, 37, 1995-1996, S. 111f.
  3. Zuger Nachrichten, 14.07.1958
  4. Brunner, Josef, Zum Gedenken des Restaurators und Malers Hans Baggenstos, in: Zuger Neujahrsblatt 1976, S. 113f.
  5. Freundliche Mitteilung von Adolf Durrer, Cham, 06.08.2019
  6. Freundliche Mitteilung von Heinz Greter, Zug, 06.09.2019
  7. Gruber, Eugen, Ein Gang durch die Geschichte von Cham, in: Zuger Neujahrsblatt 1958, S. 3–30
  8. Wolf, Otto et al., Geschichte von Cham, Bd. 1, Cham 1958, S. 91–184
  9. Zuger Nachrichten, 14.07.1958
  10. Zuger Volksblatt, 14.07.1958