Schloss St. Andreas: von der Pfahlbausiedlung zur spätmittelalterlichen Burg

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Die ältesten Spuren einer Besiedlung auf der Halbinsel von St. Andreas reichen ins 4. Jahrtausend vor Christus zurück. Im Hochmittelalter, um das Jahr 1200, muss dort ein Gebäude aus Stein gestanden haben. 1282 wird St. Andreas erstmals schriftlich erwähnt, 1350 als Burg der Herren von Hünenberg. St. Andreas erhält 1360 das Stadtrecht, wird aber 1385 von den Zugern und Schwyzern im Vorfeld des Sempacherkrieges zerstört.


Chronologie

4. Jahrtausend v. Chr. Nach der letzten Eiszeit vor über 10'000 Jahren hinterlässt der sich zurückziehende Reussgletscher einen Moränenhügel, eine Halbinsel, die in den Zugersee ragt. Im 4. Jahrtausend vor Christus gab es in St. Andreas eine Pfahlbausiedlung. [1]

858 König Ludwig der Deutsche (um 805–876), ein Enkel Karls des Grossen (747–814), schenkt den Hof Cham samt Umgelände seiner Tochter Hildegard (um 828–856), Äbtissin des Klosters Fraumünster in Zürich. In der Schenkungsurkunde vom 16. April, die heute im Staatsarchiv Zürich liegt, wird Cham erstmals urkundlich erwähnt. In der Forschung ist umstritten, ob es sich bei diesem «Königshof» um St. Andreas gehandelt hat oder nicht. Mit Schriftquellen lässt sich nicht nachweisen, dass St. Andreas einmal im Besitz des Fraumünsterklosters war. [2]

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Die Pergamenturkunde aus dem Jahr 858, in welcher Cham erstmals urkundlich erwähnt wird


1150–1220 Archäologische Untersuchungen weisen nach, dass zu dieser Zeit ein erster (?) Steinbau auf der Halbinsel gestanden haben muss. Die Kernanlage ist ein mit Wall und Graben gesichertes Gebäude mit unregelmässig runder Umfassungsmauer. [3]

1282 In diesem Jahr wird der «hof ze sant andrese» erstmals in einem Dokument erwähnt. Der Hof ist als ein Lehen der Freiherren von Wolhusen in der Hand von Gottfried II. von Hünenberg. Auch die Kapelle wird erstmals erwähnt. [4]

1309 Die Verteilung des Erbes von Gottfried II. von Hünenberg geht am 24. März über die Bühne: Hartmann II. von Hünenberg übernimmt den Hof, die Fischenz (= Fischereirecht) und das Fahr von St. Andreas. Der «Hof» ist dabei nicht eine landwirtschaftliche Betriebseinheit, sondern eine «Verwaltungseinheit, zu der verschiedene Höfe, Güter und Personen gehören». [5] Die Hünenberger erhalten Abgaben von den St. Andreas zugehörigen Personen und besitzen auch richterliche Kompetenzen. Wahrscheinlich bildet sich im Bereich der Kapelle eine kleine Siedlung. Die Burg wird im 14. Jahrhundert befestigt, wahrscheinlich zwischen 1320 und 1350 unter Gottfried IV. von Hünenberg (gest. 1387). [6]

1350 St. Andreas wird am 7. Januar erstmals in einem Schriftstück als «Burg» bezeichnet. [7] In den 1350er Jahren verlegt Gottfried IV. seinen festen Wohnsitz in die Stadt Zürich. Er wird dort Mitglied des städtischen Kleinrats und bewohnt mit seiner Frau Margarethe von Friedingen (gest. 1372) ein Haus am Neumarkt. 1357 ist er der reichste Bürger der Stadt Zürich. [8]

1360 Gottfried IV. von Hünenberg macht sich auf nach Nürnberg. Dort erhält er am 26. Dezember vom deutschen Kaiser Karl IV. (1316–1378) das Stadt- und Marktrecht für die der Burg St. Andreas vorgelagerte Siedlung zugesprochen. Damit kann bei St. Andreas an jedem Montag ein Markt abgehalten und es dürfen Bürger in das Städtchen aufgenommen werden. Der Markt kann sich aber gegenüber dem Stadtzuger Wochenmarkt nicht durchsetzen. [9]


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Urkunde von Kaiser Karl IV. mit Stadtprivileg für die Siedlung St. Andreas, 26.12.1360


1363 Gottfried IV. und seine Söhne schliessen mit der Stadt Zürich einen Burgrechtsvertrag ab. Die jüngere Forschung sieht für diesen Zeitraum durchaus Bemühungen Zürichs für eine Ausdehnung der Einflusssphäre bis an den oberen Zugersee. [10]

1370 In den 1360er Jahren gerät Gottfried IV. in finanzielle Schwierigkeiten. Die habsburgischen Herzöge Albrecht III. (1349/50–1395) und Leopold III. (1351–1387) von Österreich erwerben am 27. Oktober die «vesty [= Festung] ze Sant Andres mit der vorburg» für 3500 florentinische Goldgulden. [11]

1376 Die Habsburger verpfänden St. Andreas aus finanziellen Gründen an den reichen Zürcher Ritter Gottfried II. Mülner (gest. 1383). [12]

1385 Die Zuger und Schwyzer überfallen im Vorfeld des Sempacherkriegs St. Andreas und zerstören die Burg. [13]


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Entwurf eines Scheiben-Oberbildes, undatiert (um 1630–1650). Dargestellt ist die Belagerung von St. Andreas durch die Zuger und Schwyzer 1385. Dem Glasmaler Melchior II. Müller (um 1602–1672) aus Zug zugeschrieben


nach 1388 Das habsburgische Pfand St. Andreas geht erbweise an Götz Mülners Tochter Anna Manesse über. [14]

1406 Anna Manesse verkauft das Pfand an den reichen Luzerner Petermann von Moos (erw. 1377–1422). Die Ansprüche der Stadt Zug werden vorerst abgewiesen. [15]

1477 Im 15. Jahrhundert kommt die Stadt Zug in den Besitz der Vogtei Cham. Die Besitzerwechsel von St. Andreas sind für diese Zeit nicht überliefert. Die Burg zerfällt in dieser Zeit allmählich. [16]

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Einzelnachweise

  1. Hochuli, Stefan, «Ächt keltische Töpferwaare und Celtensteine». 150 Jahre Pfahlbauforschung im Kanton Zug, in: Tugium 25, 2009, S. 77–110, insbesondere S. 82–85. Huber, Renata et al., Zum Stand der Pfahlbauforschung im Kanton Zug, in: Tugium 25, 2009, S. 111–140, insbesondere S. 133
  2. Glauser, Thomas, Der Adlige, der Söldner, die Wohltäterin. St. Andreas und seine Besitzer, in: Zug Erkunden – Bildessays und historische Beiträge zu 16 Zuger Schauplätzen, Jubiläumsband Zug 650 eidgenössisch, Zug 2002, S. 76. Boschetti-Maradi, Adriano / Holzer, Peter / Meier, Gabi, Schloss St. Andreas, Bauuntersuchung, Ausgrabung, Umbau und Restaurierung, in: Tugium 28, 2012, S. 31
  3. Vgl. Anmerkung 2 (Boschetti-Maradi / Holzer / Meier), S. 31f.
  4. Vgl. Anmerkung 2 (Glauser), S. 75
  5. Vgl. Anmerkung 2 (Glauser), S. 75f.
  6. Hochuli, Stefan et al., Ausflug in die Vergangenheit. Archäologische Streifzüge durch den Kanton Zug, Basel / Frankfurt am Main 2019, S. 97
  7. Die Einleitung der Urkunde: «Allen den, die disen brief ansehent, oder hörent lesen, künde ich, Götfrid von Hünoberg, Ritter, das Her Heinrich von Winkel, Lüpriester ze Kam, für mich kam, do er gesunt, vnd vrom an sinem lib was, ze St. Andres, vf min burg, ...»
  8. Glauser, Thomas, 1352 – Zug wird nicht eidgenössisch, in: Tugium 18, 2002, S. 103–115, hier: S. 111
  9. Vgl. Anmerkung 2 (Glauser), S. 77
  10. Vgl. Anmerkung 8 (Glauser), S. 112
  11. Vgl. Anmerkung 2 (Glauser), S. 77f.
  12. Vgl. Anmerkung 2 (Glauser), S. 78
  13. Vgl. Anmerkung 2 (Glauser), S. 78
  14. Vgl. Anmerkung 2 (Glauser), S. 80
  15. Vgl. Anmerkung 2 (Glauser), S. 80
  16. Vgl. Anmerkung 2 (Glauser), S. 80