Maschinengasse, Maschinenhalle PM 3
Als die Papierfabrik Cham 1912/1913 auf Expansionskurs setzt und eine neue Papiermaschine bestellt, baut sie die Maschinenhalle für die PM 3 innert eines Jahres. Direkt am Lorzenufer gelegen, komplettiert sie die eindrückliche Westfront der Fabrik.
Chronologie
1912 Nach dem Tod von Besitzer Carl Vogel-von Meiss (1850–1911) wird aus der Familienfirma Papierfabrik Cham eine Aktiengesellschaft, die Papierfabrik Cham AG. Die Direktion teilen sich Robert Naville-Vogel (1884–1970) und sein Schwager Leo Bodmer-Vogel (1880–1961). [1] Der bisherige Direktor Hermann Guggenbühl muss seinen Posten aufgeben; er übernimmt später die Papierfabrik Balsthal SO. [2] Die neuen Fabrikleiter Bodmer und Naville legen ein hohes Tempo vor. Sie bestellen die Papiermaschine 3 bei der Maschinenfabrik Voith in Heidenheim, Deutschland, und planen für die neue PM einen grossen Neubau. Die Bauarbeiten dauern vom 26. August 1912 bis am 12. September 1913. [3] Die Maschinenhalle für die PM 3 (Ass.-Nr. 31a) steht in der Verlängerung der Halle für die PM 1 und PM 2 (Ass.-Nr. 30e) und des Holländerbaus (Ass.-Nr. 31b). Realisiert wird der Bau direkt an der Lorze von der Zürcher Baufirma Locher & Cie.. Das Gebäude besteht aus dem zweigeschossigen Fabrikbau mit 15 Achsen. Im Erdgeschoss befindet sich die grosse Fabrikhalle für die Papiermaschine und im Obergeschoss der Papiersaal, später der sogenannte Hifi-Saal, wo das Papier gestrichen wird.
Innen prägt die Eisenbetonkonstruktion das Erscheinungsbild. Deckenrippen und Stützen rhythmisieren den Raum. Eine filigrane eiserne Wendeltreppe aus der Bauzeit verbindet das Erdgeschoss mit dem Untergeschoss, in das Teile der Maschine reichen und von dem aus die Maschinen gewartet werden konnten. An der Nordwestecke erschliesst ein Treppenhaus die Geschosse. Dieser Gebäudeteil, in dem auch eine WC-Anlage untergebracht ist, springt zur Westfassade vor und zeichnet sich an der Fassade durch kleine Fenster ab. [4]
1937 Das Gebäude bekommt östlich vom Treppenhaus einen Anbau. Er wird, wie schon 1912, realisiert von der Zürcher Baufirma Locher & Cie.. [5]
1942 Die Papierfabrik expandiert trotz Zweitem Weltkrieg: Sie kauft eine neue Papiermaschine, die PM 4. Dazu erstellt die Basler Baufima Preiswerk & Cie. AG einen Anbau in östlicher Richtung. Dabei wird auch die interne Fabrikstrasse, die seit 1912 offen geführt wurde, überdacht. [6]
Der genaue Bauablauf
Der genaue Ablaufplan zeigt das hohe Tempo bei der Realisierung:
- 26.08.1912: Beginn des Baus.
- 13.09.1912: Aushubarbeiten, Erstellen der Notbrücke über die Lorze.
- 20.09.1912: Beginn der Betonarbeiten mit Fundament und Stützmauern gegen den Hof.
- 25.09.1912: Definitive Erteilung der Baubewilligung.
- 18.10.1912: Abbruch des Magazins und der Leimküche, provisorischer Steg über die Lorze.
- 28.10.1912: Einschalung für Eisenbeton, Fangdamm für den Neubau der schlechten Fundamentmauern.
- 05.11.1912: Eisenbetonschalung für das Fundament.
- 20.11.1912: Eisengerippe für Fangstoffbassin.
- 22.11.1912: Beginn des Notdachs, Befestigung des Rutschhanges bei der Zellulosefabrik.
- 12.12.1912: Neubau mit Notdach und Schutzwänden.
- 14.01.1913: Schalung des ersten Stockes.
- 04.02.1913: Schalung des Papiersaals über der PM 3.
- 07.04.1913: Parterre ist ausgeschalt.
- 25.04.1913: Fundamentschienen für Maschinenmontage.
- 28.04.1913: Beginn der Maschinenmontage.
- 08.05.1913: Rohbau des Papiersaals fertig.
- 02.06.1913: Armierung der Mischbütte im Parterre.
- 12.07.1913: Holländersaal fertig.
- 25.08.1913: Inbetriebnahme der PM3.
- 12.09.1913: Definitiver Abschluss des Neubaus. [7]
Würdigung
Die Architekturhistorikerin Viola Müller (*1966) billigt in ihrem Gutachten für die Denkmalpflege des Kantons Zug dem PM 3-Gebäude gleich mehrfach hohe Bedeutung zu: «Dem Fabrikbau für die Papiermaschinen 3 und 4 kommt mehrfach hohe Bedeutung zu. Zusammen mit dem Kalanderbau (Ass.-Nr. 30c) von Séquin & Knobel, der Halle für die PM 1 und PM 2 (Ass. Nr. 30e) und dem Holländergebäude (Ass. Nr. 31b) bildet es die lange Front von Industriegebäuden am östlichen Lorzeufer und prägt den Flussraum wesentlich mit. Erstellt wurde es 1913 von der Bauunternehmung Locher & Cie. aus Zürich als Skelettkonstruktion in Eisenbeton mit funktionaler Erscheinung. Erste reine Eisenbetonbauten entstanden gegen Ende des 19. Jahrhunderts, zuerst vorwiegend Brücken. Zu den ersten Stahlbetonhochbauten in der Schweiz zählt das Königin-Alexandra-Sanatorium von 1907 der Architekten Pfleghard und Haefeli und Bauingenieur Robert Maillart. Die Villa Schwob in La Chaux-de-Fonds von 1916 ist der erste Stahlbetonbau von Le Corbusier, äusserlich noch mit einer klassizistischen Fassade gestaltet. Der Industriebau erlaubte es, die funktionalen Vorteile des Eisenbetons wie weitgespannte Hallen und grosse Verglasungen auch architektonisch umzusetzen. In diesem Zusammenhang muss dem Fabrikgebäude für die PM 3 und PM 4 als frühem Vertreter des bewehrten Betonbaus mit funktionaler Architektur hohe architektur- und wirtschaftsgeschichtliche wie auch ortsbauliche Bedeutung zugemessen werden.» [8]
Situation
Einzelnachweise
- ↑ Orsouw, Michael van, Der Zellstoff, auf dem die Träume sind. 350 Jahre Papieri Cham, Cham 2007, S. 45, 67
- ↑ Arnet, Edwin / Stadlin, Paul, Die Geschichte der Papierfabrik Cham, in: Festgabe Robert Naville zum 60. Geburtstag, Cham 1944, S. 170
- ↑ Vgl. Anmerkung 1 (van Orsouw), S. 68
- ↑ Müller, Viola, Die Papierfabrik Cham. Baugeschichte und Detailinventar, Direktion des Innern des Kantons Zug/Amt für Denkmalpflege und Archäologie, Zug 2014, S. 40
- ↑ Vgl. Anmerkung 4 (Müller), S. 40
- ↑ Vgl. Anmerkung 4 (Müller), S. 40
- ↑ Vgl. Anmerkung 1 (van Orsouw), S. 68
- ↑ Vgl. Anmerkung 4 (Müller), S. 41