Lorzenweidstrasse 40–54, Kosthäuser

Aus Chamapedia

Die Siedlung Lorzenweidstrasse 40-54, auch Kosthäuser genannt, 1986
Die Arbeitersiedlung an der Lorze, Ansicht Nord-Süd, undatiert (um 1980)
Die Kosthäuser in Hagendorn, 22.06.2018
Lorzenweidstrasse 40–54, 29.09.2019
Einzelhaus mit rückseitigem Anbau, 29.09.2019
Einzelhaus, 29.09.2019
Einzelhaus mit Gartensitzplatz, 29.09.2019
Lorzenweidstrasse 40–54, rückseitiger Anbau, 29.09.2019
Lorzenweidstrasse 40–54, Ansicht Ost-West, rückseitige Anbauten, 29.09.2019
Die Kosthäuser mit dem Turbinenhaus des Flusskraftwerks, 22.06.2018

Die Kosthäuser in Hagendorn gehören zuerst zur Spinnerei, dann zur Papierfabrik Cham. Sie stehen auf einer Lorzeninsel und weisen ein geschütztes «Ortsbild von nationaler Bedeutung» auf.


Chronologie

1868–1876 Weil die rund 300 Fabrikarbeiter zu wenig Unterkünfte in Hagendorn und Umgebung finden, erstellt die Fabrikleitung der Spinnerei und Weberei Hagendorn acht Kosthäuser auf der Insel zwischen Lorze und Fabrikkanal (Ass.-Nrn. 169d-m). [1] Die Häuser bieten rund 100 Personen Platz und heissen «Kosthäuser» weil darin auch ledige Arbeiter als Kostgänger der dort wohnenden Familien aufgenommen wurden. [2]

Die Liegenschaften bestehen aus einem gemauerten und eingetieften Sockelgeschoss mit quadratischem Grundriss und zwei Vollgeschossen in Fachwerkbauweise. Das Fachwerk ist mit hell gestrichenen vertikalen Brettern verkleidet. [3] Die «Kosthäuser» weisen die für die Arbeiterwohnhäuser des 19. Jahrhunderts typischen klassizistisch-biedermeierlichen Architekturformen auf. Zu jedem Arbeiterhaus gehören ein Holzschopf und ein Nutzgarten. [4]

1872 Der Blitz schlägt in eines der Arbeiterhäuser ein. «Der Strahl fuhr durch ein Zimmer, in dem eine erst 3tägige Wöchnerin lag – glücklicherweise, ohne sie zu treffen und ohne den geringsten Nachtheil für ihre Gesundheit.» [5]

1888 Beim Fabrikbrand vom 19. August bleiben die acht Arbeiterhäuser unversehrt. [6]

1889 Carl Vogel-von Meiss (1850–1911), Besitzer der Papierfabrik, kauft die Liegenschaften, den Boden und die Wasserkraftrechte für 260'000 Franken. [7] Die Papierfabrik nutzt die «Kosthäuser» weiter als Arbeiterunterkünfte.

nach 1917 Das Fachwerk wird zum Schutz gegen die Witterung mit Eternitplatten verkleidet. [8]

1972 Die Papierfabrik Cham AG strukturiert sich neu und fasst die fabrikeigenen Liegenschaften in der Firma Hammer AG zusammen. [9] Damit ist die neu gegründete Aktiengesellschaft auf einen Schlag die grösste Immobilienbesitzerin in Cham mit über 300 Wohnungen. Sie wird Teil der börsenkotierten Industrieholding Cham AG. [10] Nun gehören auch die Kosthäuser der Immobilienfirma Hammer AG. [11]

1984 Es folgt eine Aussen- und Innenrenovation der insgesamt 24 Vier-Zimmer-Wohnungen. [12]

1986 Die Liegenschaften weisen einen Verkehrswert von 2’700'000 Franken auf und erzielen einen jährlichen Ertrag von 190’000 Franken, was einer Bruttorendite von 7,03 Prozent entspricht. [13]

1993 Am 8. Februar kommt es in einem der Kosthäuser zu einem Brand. Eine Mutter und zwei Kleinkinder erleiden Brandverletzungen. [14]

2007 «Aufgrund ihrer hohen Bedeutung für das Ortsbild, aber auch als wichtige Zeugin der ersten Industrialisierungsphase im Kanton Zug» wird die Arbeitersiedlung in der Lorzenweid als «Ortsbild von nationaler Bedeutung» eingestuft und im Inventar schützenswerter Ortsbilder der Schweiz (ISOS) aufgenommen. [15]

2015 Die Arbeiterhäuser werden saniert. Die Kosthäuser erhalten auf der Nordostseite zur Lorze hin angepasste Anbauten. [16] Aus 24 kleinteiligen Wohnungen entstehen 16 zeitgemässe Familienwohnungen.

2023/2024 Die acht Liegenschaften (Ass.-Nrn. 169d-f, h-m) gehören Privatpersonen, die mehrheitlich auch auf der Lorzeninsel wohnen. [17] Alle Kosthäuser sind im Verzeichnis der geschützten Denkmäler der Gemeinde Cham aufgeführt. [18]


Würdigung

Wer auf die Lorzeninsel tritt und die Kosthaus-Siedlung betrachtet, spürt sogleich die Einzigartigkeit von Bauten und Ort. Die Arbeitersiedlung Lorzenweid ist noch heute etwas Besonderes. Die Fachspezialistinnen und Fachspezialisten des kantonalen Amts für Denkmalpflege und Archäologie des Kantons Zug würdigen das Ensemble wie folgt: «Dank der sorgfältigen Renovation der Aussenhüllen und den behutsamen Erweiterungen zur Lorze hin konnte der unverkennbare Charakter der identitätsstiftenden Arbeiterhaussiedlung gewahrt bleiben und gleichzeitig neuer, an zeitgemässe Bedürfnisse angepasster Wohnraum geschaffen werden. Mit der Unterschutzstellung der acht «Kosthäuser» ist der Erhalt dieses bedeutenden Ensembles auch für die Zukunft gesichert.». [19]


ISOS-Dokument Fabrikanlage Lorzenweid

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Einzelnachweise

  1. Staatsarchiv Zug, G 617.6.2, Assekuranzregister Cham, 2. Generation (1868–1929), 1. Band
  2. Orsouw, Michael van, Der Zellstoff, auf dem die Träume sind. 350 Jahre Papieri Cham, Cham 2006, S. 49
  3. Grünenfelder, Josef, Die Kunstdenkmäler des Kantons Zug, Neue Ausgabe, Bd. 2, Die ehemaligen Vogteien der Stadt Zug, Bern 2006, S. 274
  4. Walter, Nathalie / Bolli, Markus / JeanRichard, Anette, Cham. Hagendorn, Lorzenweidstrasse 40–56, ehemalige «Kosthäuser», Kurzdokumentation vor Umbau und Renovation, in: Tugium 33, 2017, S. 38–40
  5. Neue Zuger Zeitung, 07.08.1872
  6. Zuger Volksblatt, 22.08.1888
  7. Zuger Volksblatt, 16.03.1889
  8. Vgl. Anmerkung 3 (Grünenfelder), S. 274
  9. Neue Zuger Zeitung, 25.05.2002
  10. Vgl. Anmerkung 2 (van Orsouw), S. 142
  11. Staatsarchiv Zug, G 617.6.7, Assekuranzregister Cham, 4. Generation (1960–1990), 2. Band
  12. Staatsarchiv Zug, P 347, Papierfabrik Cham, Ordner Hammer AG, Leitbild und Planung 1986–1996
  13. Staatsarchiv Zug, P 347, Papierfabrik Cham, Ordner Hammer AG, Leitbild und Planung 1986–1996
  14. Zuger Kalender, Chronik 08.02.1993
  15. Vgl. Anmerkung 4 (Walter / Bolli / JeanRichard), S. 39
  16. Zuger Zeitung, 16.12.2015
  17. www.zugmap.ch, Eintrag Grundstücknummer 1380; Grundbuchfläche: 10'168 m²; Gebäude: 1127 m²; Strasse, Weg: 617 m²; übrige befestigte Fläche: 2540 m²; Gartenanlage: 5028 m²; übrige humusierte Fläche: 621 m²; fliessendes Gewässer: 19 m²; geschlossener Wald: 216 m² [Stand: 23.08.2023]
  18. Amt für Denkmalpflege und Archäologie des Kantons Zug, Verzeichnis der geschützten Denkmäler der Gemeinde Cham, Grundstücknummer 1380 [Stand: 15.05.2024]
  19. Vgl. Anmerkung 4 (Walter / Bolli / JeanRichard), S. 40