Gretener Adolf (1850–1924)
Adolf Gretener war Direktor, Generaldirektor und Verwaltungsratspräsident der Chamer Milchsüdi. Zudem wirkte der Selfmademan als Gemeinderat in Cham und als Oberrichter und Obergerichtspräsident des Kantons Zug.
Stationen
1850 Adolf Gretener kommt am 9. Februar zur Welt. [1] Sein Vater Mathias (1818–1898) ist Lehrer, Politiker und Friedensrichter. [2]
1861 Schon als 11-Jähriger wird Adolf in die Fremde geschickt: Er besucht die Erziehungsanstalt und Handelsschule in Lautrach, Bayern. [3]
1865 Im Alter von 15 Jahren kommt Gretener nach Cham zurück und besucht die kantonale Industrieschule in Zug. [4]
1869 Gretener macht praktische Erfahrungen und lernt französisch: Er wirkt als Volontär in einem Handelsgeschäft in Lausanne. [5]
1870 Jetzt lernt er noch englisch: Gretener arbeitet als kaufmännischer Angestellter in London.
1871 Gretener kommt nochmals zurück in den frankophonen Sprachraum und arbeitet in Paris «im internationalen Kommissionsgeschäft». [6]
1873 Nun kommt auch noch das Italienische hinzu: Gretener arbeitet zwei Jahre in Neapel. [7]
1875 Gretener kehrt nach Cham zurück. Aufgrund seiner Sprachkenntnisse findet er eine Anstellung im Büro der Anglo-Swiss Condensed Milk Company. Er wird auf kaufmännischem Gebiet zur rechten Hand von Generaldirektor George Ham Page (1836–1899). [8] Gretener engagiert sich auch sonst in Cham: Er ist Mitgründer des Männerchors und des Grütlivereins. [9]
1877 Gretener ist Mitgründer der «Sparkassa Cham» und wird im Alter von 27 Jahren verantwortlicher Verwalter dieser Kleinbank. [10]
1879 Der erfolgreiche Kaufmann heiratet Maria Carolina Müller vom Roost in Zug. [11] Gretener macht auch militärische Karriere: Er wird zum «Oberlieutenant» der Füsiliertruppen befördert. [12] Später kommt er in den Rang eines Hauptmanns. [13]
1885 Die Chamer wählen Gretener als Vertreter der Freisinnigen in den Gemeinderat (im Amt bis Ende 1889). Gretener wird Schulpräsident. [14]
1891 Der Verwaltungsrat der Anglo-Swiss ernennt nach einem heftigen, internen Machtkampf Adolf Gretener zum Verwaltungsratspräsident. [15] Er ist der Wunschkandidat von Generaldirektor George Ham Page und dessen Bruder David Steven Page (1844–1903), die damit den amtierenden Verwaltungsratspräsidenten Paul F. Wild (1842–1914) vertreiben, der kritische Fragen gestellt hatte. [16] George Page wörtlich: «Wir brauchen keinen grossen Namen, der von der Sache nichts versteht, dafür aber vernünftig ist und vor allem viel von unserem Geschäft versteht.» Page weiss, dass das nicht alle Aktionäre goutieren werden: «Alle Zürcher werden das unanständig finden, einen Büroangestellten zum Präsidenten der Firma zu machen. Verflixt noch mal, die lassen sich in ihren Meinungen zuviel von der Aristokratie leiten, wie überhaupt die Schweizer.» [17]
1894 Gretener wird als Vertreter der Freisinnigen ans Obergericht gewählt (im Amt bis 1920). [18]
1895 Anglo-Swiss Verwaltungsratspräsident Adolf Gretener fehlt an der Generalversammlung aus gesundheitlichen Gründen; er fährt stattdessen zur Kur. [19]
1899 Anglo-Swiss Generaldirektor George Ham Page stirbt. Bei den einsetzenden Fusionsverhandlungen zwischen Anglo-Swiss und Nestlé steht Gretener auf die Seite der Fusionsgegner. Er stellt sich damit in Opposition zu Adelheid Page-Schwerzmann (1853–1925) und Fred Page (1877–1930), den direkten Nachkommen von George, und zu Direktionskollege Alois Bossard (1841–1912). [20]
1901 Um ein Gleichgewicht zwischen Fusionsgegnern und -freunden zu schaffen und um die Arbeit auf mehreren Schultern zu verteilen, wird die Generaldirektion von einem Trio besetzt: Adolf Gretener, Alois Bossard und Fred Page teilen sich nun die Verantwortung. [21] Gretener tritt in gleichen Jahr als Verwaltungsratspräsident zurück und leitet dafür das Chamer Büro der Anglo-Swiss (bis 1907). [22]
1907 Gretener gibt seine Aufgabe als Bürochef der Nestlé & Anglo-Swiss ab und zieht mit seiner Frau nach Zug. [23] Sie wohnen in der Villa Sonnhalde am Oberwiler Kirchweg 2, die zuvor Fabrikgründer Richard Theiler (1841–1923) besessen hatte. [24]
1911 Gretener erhält wieder ein neues Amt: Er wird Revisor der Zuger Kantonalbank (bis 1918). [25] Zudem wird er Vizepräsident des Obergerichts. [26]
1913 Gretener wird vom Zuger Kantonsrat zum Präsidenten des Obergerichts erkoren. [27]
1920 Mit 70 Jahren nicht mehr der Jüngste, zaudert Adolf Gretener, ob er sich nochmals zur Wahl stellen soll. Seine Partei, die Freisinnigen, verzichtet auf seine Dienste, «merkwürdigerweise», wie die konservativen Zuger Nachrichten vermerken. [28]
1924 Adolf Gretener-Müller stirbt am 26. Januar in Zug – er wird knapp 74-jährig. [29]
Würdigung
Gretener legte eine bemerkenswerte Karriere hin. Als Nicht-Akademiker schaffte er es, das Vertrauen des schwierigen Milchsüdi-Generaldirektors George Ham Page ebenso zu gewinnen wie das der Zuger, die ihn, den Nicht-Juristen, zum Obergerichtspräsidenten machten. «Gretener war wie kaum ein Zweiter für dieses verantwortungsvolle Amt berufen. Seine hervorragende Eigenschaften des Charakters, des Geistes und Gemütes, vor allem seine solide, ernste Lebensauffassung, seine festgegründete Unparteilichkeit, sein scharf ausgeprägter Gerechtigkeitssinn, sein gut entwickelter Verstand, sein selbständiges Urteil in Verbindung mit einer sorgfältigen Vorbereitung der Geschäfte befähigten ihn in hohem Masse zur Ausübung der ihm übertragenen richterlichen Funktionen.» [30] Seine Parteizeitung «Zuger Volksblatt» lobte sein «Leben ganz der Arbeit und treuester Pflichterfüllung gewidmet, ein Dasein vorbildlicher Art, voll von Willenskraft und anspruchsloser Hingebung für seine Tätigkeit, eine rastlose Laufbahn eines Self-made-man in des Wortes tiefster Bedeutung.» [31]
Einzelnachweise
- ↑ Staatsarchiv Zug, Zuger Personen- und Ämterverzeichnis [Stand: 01.03.2024]
- ↑ Zuger Volksblatt, 29.01.1924
- ↑ Zuger Volksblatt, 29.01.1924
- ↑ Zuger Volksblatt, 29.01.1924
- ↑ Zuger Volksblatt, 29.01.1924
- ↑ Zuger Volksblatt, 29.01.1924
- ↑ Zuger Volksblatt, 29.01.1924
- ↑ Zuger Volksblatt, 29.01.1924
- ↑ Zuger Volksblatt, 29.01.1924
- ↑ Zuger Volksblatt, 20.12.1876
- ↑ Zuger Volksblatt, 29.01.1924
- ↑ Zuger Volksblatt, 27.08.1879
- ↑ Neue Zuger Zeitung, 27.04.1889
- ↑ Staatsarchiv Zug, Zuger Personen- und Ämterverzeichnis [Stand: 01.03.2024]. Zuger Nachrichten, 01.02.1924
- ↑ Zuger Volksblatt, 29.04.1891
- ↑ Orsouw, Michael van / Stadlin, Judith / Imboden, Monika, George Page, Der Milchpionier. Die Anglo-Swiss Condensed Milk Company bis zur Fusion mit Nestlé, Vevey / Zürich 2005, S. 140
- ↑ Vgl. Anmerkung 16 (van Orsouw / Stadlin / Imboden), S. 141
- ↑ Staatsarchiv Zug, Zuger Personen- und Ämterverzeichnis [Stand: 01.03.2024]. Zuger Volksblatt, 15.12.1894
- ↑ Vgl. Anmerkung 16 (van Orsouw / Stadlin / Imboden), S. 141
- ↑ Lüpold, Martin, Der Ausbau der «Festung Schweiz»: Aktienrecht und Corporate Governance in der Schweiz 1881–1961, Dissertation Universität Zürich, Zürich 2010, S. 147
- ↑ Orsouw, Michael van / Stadlin, Judith / Imboden, Monika, Adelheid, Frau ohne Grenzen. Das reiche Leben der Adelheid Page-Schwerzmann, Zürich 2003, S. 136
- ↑ Zuger Volksblatt, 29.01.1924
- ↑ Zuger Nachrichten, 01.02.1924
- ↑ Kamm, Christine, Inventar der neueren Schweizer Architektur 1850–1920 – Zug, Bern 1992, S. 527
- ↑ Bibliothek Zug, Zuger Personen- und Sachkatalog von Ernst Zumbach
- ↑ Zuger Nachrichten, 01.02.1924
- ↑ Staatsarchiv Zug, Zuger Personen- und Ämterverzeichnis [Stand: 01.03.2024]
- ↑ Zuger Nachrichten, 01.02.1924
- ↑ Staatsarchiv Zug, Zuger Personen- und Ämterverzeichnis [Stand: 01.03.2024]
- ↑ Zuger Nachrichten, 01.02.1924
- ↑ Zuger Volksblatt, 29.01.1924