Zugerstrasse 82, Tankstelle Schaffner

Aus Chamapedia

Der Aargauer Martin Schaffner machte mit der Vermarktung des von ihm 1952 aus dem Zugersee geborgenen amerikanischen Bombers viel Geld. Er baute daraus eine kleine Tankstellenkette auf, wo er das Benzin günstiger als seine Konkurrenten anbot, darunter in einer Filiale an der Zugerstrasse 82 in Cham. Zwischen den Zuger Behörden, den Zuger Tankstellenbetreibern und Martin Schaffner gab es immer wieder Reibereien.

Chronologie

1952 Martin Schaffner, einem Alteisenhändler aus dem Kanton Aargau, gelingt es im zweiten Anlauf, den am 16. März 1944 in den Zugersee abgestürzten amerikanischen Bomber des Typs B-17G aus dem Zugersee zu bergen. [1]


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Besucher posieren vor der «Lonesome Polecat» auf dem ehemaligen Kiesplatz beim Hafengelände Zug, August 1952


Sofort macht der geschäftstüchtige Martin Schaffner seinen Bomber zur Einnahmequelle. Er stellt den Bomber in Zug auf dem Kiesplatz beim Bootshafen aus. Bereits am ersten Tag der Ausstellung kommen ca. 10'000 Schaulustige. Für den Eintritt verlangt er Fr. 1.10 respektive 55 Rappen für Kinder. Für das Abstellen von Velos verrechnet Schaffner 50 Rappen. [2]

Schaffner erhält schon bald den Spitznamen «Bomber-Schaffner». Er zeigt seinen Bomber dann in Cham, später in Basel, Biel, Lausanne und Bümpliz dem Publikum, und stellt ihn später bei seiner Tankstelle in Suhr aus. [3]

um 1953 Schaffner fasst den Plan, in Cham eine Tankstelle zu errichten und den Bomber dort auszustellen und ihn als Imbissstand zu nutzen. Dieser Plan lässt sich nur teilweise verwirklichen. Schaffner errichtet im Alpenblick eine Tankstelle, allerdings ohne Bomber. [4]

Seine Ausbaupläne für die Tankstelle werden von den Behörden immer wieder durchkreuzt. [5] Es beginnt ein jahrelanger aufreibender Papierkrieg zwischen den Zuger Regierungsbehörden und Schaffner. Die Presse schreibt von einem «kalten Guerillakrieg». Zweimal wird Schaffner die Schliessung der Tankstelle angedroht. [6]


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Das Quartier Duggeli, im Hintergrund an der Strasse nach Zug ist die Tankstelle Schaffner in der Bildmitte zu erkennen

1959 Schaffner lässt im Sommer an seiner Tankstelle grosse Tafeln mit Preisaufschriften für Benzin anbringen. Auf eine Intervention des Kantons reagiert Schaffner mit einer Beschwerde. Während diese noch hängig ist, werden die Zuger Behörden in Cham aktiv. Der Zuger Polizeichef, Lt. Renggli , rückt am 14. Juli in Begleitung eines Kantonspolizisten aus Cham im Alpenblick an. Die beiden haben Packpapier und Leim dabei und überkleben die Preisschilder. [7]


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Die Polizei in Aktion bei der Tankstelle Schaffner, Juli 1959


Dem Tankwart übergeben sie ein Schreiben des Polizeikommandos, in welchem Gefängnis oder Busse angedroht wird, falls das Packpapier entfernt würde. Den Stein des Anstosses in der ganzen Affäre bilden die Preistafeln, die nach einer Vorschrift der Zuger Baudirektion nur in einer Grösse von maximal 35x35 Zentimeter über den Tanksäulen angebracht werden dürfen. Schaffners Preisanschriften wiesen eine Grösse von 60x65 Zentimetern auf. [8] Bei anderen Tankstellen findet man zu dieser Zeit Preisanschriften, die das «Zuger Mass», das offenbar rein willkürlich festgelegt worden war, deutlich übersteigen. Dort schreitet die Polizei nicht ein. [9]

In der Presse wird vermutet, dass die Konkurrenz Schaffner ausbremsen will. Die Zuger Baudirektion wird spöttisch «Zuger Chefdekorateure» genannt. Es ist von «Seldwylerei» [10] die Rede. [11]

In der Nacht auf den 24. August wird in die Garage von Martin Schaffner eingebrochen. Die Täterschaft entwendet einen Tresor mit einem grösseren Geldbetrag, ca. 4'000 Franken. [12]


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Unfall nahe der Tankstelle Schaffner, undatierte Aufnahme


1960 Die Tankstelle wird am Sonntagabend, 29. Oktober, um 20 Uhr überfallen. Der Tankwart war alleine anwesend. Das Geld in der Kasse fehlt. [13]

1962 Am Freitagabend 31. August um 17.40 Uhr explodiert mit einem weit herum hörbaren Knall ein dreiteiliges Oekonomiegebäude , das sich wenige Meter hinter der Tankstelle von Martin Schaffner zwischen Zug und Cham, bei der Strassenabzweigung nach Steinhausen, befindet . Das Oekonomiegebäude brennt mit seinem Inhalt sofort lichterloh , doch kann die unverzüglich anrückende Feuerwehr von Cham den Brand sehr rasch eindämmen und löschen. Insbesondere gelingt es, ein Übergreifen des Brandes auf die eigentliche Tankstelle zu verhindern. Am Tankstellendach entsteht jedoch beträchtlicher Schaden, da die Eternitverkleidungen unter der Einwirkung der Hitze springen . Um 18.30 Uhr ist der Brand gelöscht. Die Ursache der Explosion ist unbekannt . [14]

1965 Am 5. Oktober stirbt Martin Schaffner, 42-jährig, an einer Lungenentzündung, nach einer Operation gegen sein schweres Übergewicht. [15]

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Das Gebiet Alpenblick im Bau und mit alter Linienführung der Zugerstrasse. Rechts im Bild die Tankstelle Schaffner mit Ausschnitt

Martin Schaffner – der «Bomber-Schaffner»

Schaffner wurde am 23. Februar 1923 in Gränichen AG geboren. Als jüngstes von vier Kindern wuchs der Bub in einfachsten Verhältnissen auf, umsorgt von gläubigen Eltern. Dann wurde der Vater krank. Schaffner konnte keine Lehre machen, musste stattdessen früh zum Lebensunterhalt der Familie beitragen. Bereits mit 15 Jahren begann Schaffner in der Maschinenfabrik im Dorf als Hilfs-Motorradmechaniker zu arbeiten. Kaum war er volljährig, machte er sich selbstständig. Er begann, Altstoffe zu sammeln – erst mit Leiterwägeli und Hund, dann mit Töff und Seitenwagen. [16]

1952 barg er einen amerikanischen Bomber aus dem Zugersee und wusste diesen Fund geschickt zu vermarkten. Er baute ein Tankstellenunternehmen mit Filialen in Suhr AG, Cham, Effingen AG und Bözberg AG und die Transport Suhr AG auf. [17]


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Inserat der Firma «Bomber-Schaffner» - Schaffner posiert gleich selbst auf dem Bild, Zugersee Zeitung 15.05.1959


Martin Schaffner brachte über 200 Kilogramm auf die Waage. Ein chirurgischer Eingriff sollte ihn schlanker machen. Nach der Operation starb er am 5. Oktober 1965, erst 42-jährig, an einer Lungenentzündung. [18]

Karte

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Kartenausschnitt mit der Tankstelle Schaffner aus dem Jahre 1968


Einzelnachweise

  1. Rickenbacher Oskar: Fliegende Festung aus dem Zugersee, in: Schweizer Soldat, Band: 97 (2022), Heft: 11, S. 47–49
  2. Rickenbacher Oskar: Fliegende Festung aus dem Zugersee, in: Schweizer Soldat, Band: 97 (2022), Heft: 11, S. 47–49
  3. Schweiz am Wochenende, 16.03.2019, Seite 54
  4. Zugersee Zeitung, 31.07.1959
  5. Zugersee Zeitung, 31.07.1959
  6. Die Tat, 18. 07.1959
  7. Die Tat, 18. 07.1959
  8. Die Tat, 18. 07.1959
  9. Zugersee Zeitung, 31.07.1959
  10. typisch kleinbürgerliches Verhalten, angelehnt an Gottfried Kellers Novellenzyklus «Die Leute von Seldwyla», https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/012024/2012-05-31/, [Stand: 28.03.2025]
  11. Zugersee Zeitung, 31.07.1959
  12. Berner Tagwacht, 27. 08.1959; Zugersee Zeitung, 28.08.1959
  13. Zugersee Seitung, 04.11.1960
  14. Die Tat, 02. 09.1962
  15. Neue Zürcher Zeitung, 07.10.1965
  16. Luzerner Zeitung, 23.12.2024
  17. Neue Zürcher Zeitung, 07.10.1965
  18. https://museum-suhr.ch/ausstellungen/sonderausstellung/bomber-schaffner.html, [Stand: 28.01.2025]