Schlatter-Kamm Albert (1887–1962)
Albert Schlatter war technischer Direktor der Papierfabrik Cham. Zudem war er ein kreativer, origineller Kopf, der Erfindungen machte sowie Theaterstücke und Gedichte verfasste.
Stationen
1887 Albert Schlatter kommt am 27. Januar in Montfournant F zur Welt. Seine Ausbildung durchläuft er in Baienfurt/Württemberg D und am Polytechnikum Köthen D. Seine Laufbahn beginnt er in Deutschland, wo er als Papieringenieur in verschiedenen Zellulose- und Papierfabriken arbeitet. [1]
1916 Während des Ersten Weltkriegs kann Albert Schlatter nicht mehr im Ausland arbeiten, er absolviert die Rekrutenschule in Winterthur. [2]
1917 Am 1. Juli tritt Schlatter eine neue Stelle bei der Papierfabrik Cham an. Dank seiner Erfahrung steigt er gleich als Betriebsleiter ein. [3]
1918 Schlatter bekommt die anspruchsvolle Aufgabe zugewiesen, die 48-Stunden-Woche einzuführen, was Umstellungen aller Schichtpläne und damit auch der Produktion nach sich zieht. [4]
1926 Albert Schlatter bekommt in der Papierfabrik Cham die Prokura. [5]
1927 Als die Papierfabrik mit der Produktion von Papiersäcken anfängt, wird Schlatter mit dieser Aufgabe betraut, ein Gebiet, dem er sich mit Eifer und grossem Interesse widmet. [6]
1931 Schlatter wird in der Papierfabrik Cham zum technischen Direktor befördert. [7] Im gleichen Jahr meldet er ein Patent an: Er hat einen «Papiersack mit Verschlussvorrichtung zum Aufbewahren von Kleidungsstücken» erfunden, den er urheberrechtlich absichern lässt. [8] Auch bei der neuartigen Produktion von Holzfaserplatten (später Pavatex-Platten) ist Schlatter als Leiter der Produktion von Anfang an mitdabei. [9] In seiner spärlich bemessenen Freizeit engagiert er sich in der Schulkommission von Cham. [10] In seine Zeit fällt die Einführung der Schulzahnpflege sowie der dritten Sekundar- und der Abschlussklasse für Knaben. [11]
1936 Bei der neu gegründeten Pavatex AG ist Albert Schlatter im Verwaltungsrat, zusammen mit Robert Naville (1884–1970) und Hans Ellenberger (1895–1977). [12]
1937 Die Papierfabrik feiert das Jubiläum 25 Jahre Aktiengesellschaft. Dazu verfasst Albert Schlatter das Bühnenstück «Fabrikgeflüster». Nicht weniger als 63 Schauspielende und 30 Schulknaben sind daran beteiligt, zum Teil mit Papierrollen um ihre Körper und mit Papiersäcken auf den Köpfen. [13]
1939 Schlatter tüftelt weiter und meldet nochmals ein Patent an: Er hat jetzt einen «Kleidersack» erfunden, den er patentieren lässt. Vertreten wird die Erfindung von Kirchhofer, Ryffel & Co in Zürich. [14]
1940 Albert Schlatter vertritt die Papierfabrik Cham im Vorstand des Arbeitgeberverbandes Schweizerischer Papierindustrieller (bis 1953). [15]
1941 Seit zehn Jahren ist Schlatter nun Mitglied der Schulkommission Cham und hat damit genug Erfahrung, um das Präsidium zu übernehmen. Er übt das Amt des Chamer Schulpräsidenten bis 1951 aus. [16] In seine Zeit fällt unter anderem die Einführung der Schulzahnplfege, der Knaben-Abschlussklass und der dritten Knaben-Sekundarklasse. [17]
1952 Die Aktiengesellschaft Papierfabrik AG feiert ihr 40-jähriges Bestehen. Wieder greift Albert Schlatter in die Tasten: Er verfasst den Prolog «Papyrigs usem Johr 1657», alles in Mundart und in Versform. Arbeiter Walter Stöckli trägt diesen Text in der Tracht eines mittelalterlichen Büttengesellen gekonnt vor. [18] Im gleichen Jahr lässt sich Schlatter, mittlerweile 65 Jahre alt, pensionieren; er zieht von der Luzernerstrasse 18 in Cham nach Zug ins Gebiet Guggi. Obwohl pensioniert, übernimmt Schlatter das Präsidium des Verwaltungsrates der Sackfabrik Pavag AG, die er seit ihrem Beginn begleitet hat. [19]
1962 Albert Schlatter stirbt am 3. Mai im Alter von 75 Jahren. Als seine Frau Rosa (1894–1962), genannt «Rösli», davon erfährt, wird sie gleich ohnmächtig und verstirbt am gleichen Tag. [20] Sie waren ein symbiotisches Paar gewesen. Nach dem Mittagessen hatte Rösli jeweils ihren Mann jeden Tag bis ans Fabriktor begleitet. [21]
Schlatters Wahl zum Schulpräsidenten in der Presse
Die Wahl des freisinnigen Schlatter zum Schulpräsidenten wird von katholisch-konservativer Seite wie folgt kommentiert:
«Katholische Toleranz. Aus Cham wird uns geschrieben: Zufolge Demission des langjährigen Inhabers des Schulratspräsidiums, Herr Kantonsarzt H. Ritter, wählte der mehrheitlich freisinnige Einwohnerrat als Wahlbehörde das wahlälteste Mitglied des Schulrates, Herr Direktor Alb. Schlatter zu seinem Nachfolger. Die politische Gemeinde Cham zählt von ihren ca. 2000 Einwohnern mindestens zwei Drittel Katholiken, und man hätte sich, nach der heute allgemein vorherrschenden Meinung, ruhig fragen dürfen, ob die Wahl des Nachfolgers in seiner Eigenschaft als Protestant nicht als Provokation des mehrheitlich katholischen Volksteils aufgefaßt werden könnte. Nachdem nun aber die Schulkommission aus Angehörigen beider Konfessionen zusammengesetzt ist und zwar im ungefähren Verhältnis von 5:2 am betr. Anteil der Gesamtbevölkerung und der Gewählte nunmehr aus schicklichen Gründen zu seinem Amte erkoren worden ist, so glaubt man katholischerseits schon mit Rücksicht auf das heute bedingte Gemeinschaftsbestreben auf eine entsprechende Stellungnahme verzichten zu können. Zumal Herr Direktor Schlatter als verständiger und gerechtdenkender Vertreter seiner Partei stets sachlich für das Wohl der Schule bisher eingetreten ist; anderseits hofft man aber des Bestimmtesten, daß die Wahlbehörde vorkommendemfalls ohne Rücksicht auf die Parteizugehörigkeit, sich von den gleichen toleranten Voraussetzungen leiten läßt, wenn es sich darum handelt, einen Vertreter kathol.-konservativer Richtung als Wahlältesten für das betreffende Amt zu bestimmen.» [22]
Würdigung
Albert Schlatter gehörte zum engsten Führungskreis um Robert Naville-Vogel. Beim «Erfinden und Ausbauen» war er in seinem Element. [23] Schlatter war nicht nur technischer Direktor und kreativer Erfinder, sondern auch Schulpräsident, Vorsitzender des Chamer Protestantenvereins und Mitgründer des Rotary-Clubs Zug. [24]
Das Lied
Albert Schlatter verfasst den Text zum «Papierilied», das zur Melodie des Volkslieds «Drunten im Unterland» passt:
«Drunten am Lorzenstrand
Rauchet ein Fabrikkamin.
Da leuchten die Fenster hell,
Dort kreisen Räder schnell,
Da wird bei Tag und Nacht
Immerfort Papier gemacht.
(…)
Drum gebt mit Herz und Hand,
Ihr Papierileut’ bekannt:
Wir lieben unser Cham
Mit allem Drum und Dran,
Da wird bei Tag und Nacht
Immerfort Papier gemacht.»
Das Original von Albert Schlatter
Einzelnachweise
- ↑ Hauszeitung Papierfabrik Cham AG, Nr. 5, 1962, S. 10
- ↑ Festgabe Robert Naville zum 60. Geburtstag, dargeboten von seinen Freunden, Cham 1944, S. 200
- ↑ Zugersee-Zeitung, 11.05.1962
- ↑ Hauszeitung Papierfabrik Cham AG, Nr. 5, 1962, S. 10
- ↑ Zugersee-Zeitung, 11.05.1962
- ↑ Orsouw, Michael van, Der Zellstoff, auf dem die Träume sind. 350 Jahre Papieri Cham, Cham 2006, S. 84
- ↑ Vgl. Anmerkung 2 (Festgabe Robert Naville), S. 200
- ↑ Schweizerisches Handelsamtsblatt (SHAB), Patent Nr. 156710, 04.11.1931
- ↑ Vgl. Anmerkung 4 (van Orsouw), S. 84
- ↑ Hauszeitung Papierfabrik Cham AG, Nr. 5, 1962, S. 10
- ↑ Vgl. Anmerkung 4 (van Orsouw), S. 84
- ↑ Schweizerisches Handelsamtsblatt (SHAB), 15.12.1936
- ↑ Vgl. Anmerkung 4 (van Orsouw), S. 84
- ↑ Schweizerisches Handelsamtsblatt (SHAB), Patent Nr. 62308, 22.03.1939
- ↑ Zugersee-Zeitung, 11.05.1962
- ↑ Hauszeitung Papierfabrik Cham AG, Nr. 5, 1962, S. 10
- ↑ Zugersee-Zeitung, 11.05.1962
- ↑ Vgl. Anmerkung 4 (van Orsouw), S. 84
- ↑ Zugersee-Zeitung, 11.05.1962
- ↑ Zuger Neujahrsblatt, Chronik 03.05.1962
- ↑ Vgl. Anmerkung 4 (van Orsouw), S. 84
- ↑ Neue Zürcher Nachrichten, 10.01.1941
- ↑ Hauszeitung Papierfabrik Cham AG, Nr. 5, 1962, S. 10
- ↑ Vgl. Anmerkung 4 (van Orsouw), S. 84
- ↑ Vgl. Anmerkung 4 (van Orsouw), S. 84