Kopp Leonie Fanny (1891–1929)

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Vorname: Leonie Fanny
Nachname: Kopp
Geschlecht: weiblich
Geburts­datum: 2. Juli 1891
Todes­datum: 1. März 1929
Todes­ort: Zürich ZH
Beruf: Arzt

Leonie Fanny Kopp immatrikulierte sich 1912 für das Medizinstudium an der Universität Zürich. Sie war die erste und einzige Frau aus Cham, die in der Zeit von 1833 bis 1924 in Zürich Medizin studierte und wohl auch die erste Frau aus Cham überhaupt. Kaum zwei Jahre an der Universität wurde sie Unterassistentin der medizinischen Fakultät. Trotzdem scheint ihre Karriere als Ärztin unglücklich verlaufen zu sein, wohl weil es damals für Frauen sehr schwierig war, im Arztberuf Anerkennung zu finden.




Stationen

1891 Leonie Fanny Kopp wird am 2. Juli geboren. Ihr Bürgerort ist Romanshorn TG. [1]

1898/1899 Johann Georg Kopp, der Vater von Leonie Kopp, ist Besitzer der Firma G. Kopp, Handelsmüllerei. Sitz der Firma ist die Untermühle in Cham. [2] Der Betrieb von Johann Georg Kopp wird dem Fabrikgesetz unterstellt. [3] Leonie wohnt also sicher ab ihrem 7. Lebensjahr in Cham.

ab ca. 1908 Leonie Kopp besucht 3 Jahre das Reformgymnasium und legt dann eine eidgenössiche Maturität mit Latein ab. [4]

1912 Leonie Fanny Kopp immatrikuliert sich an der Universität Zürich an der medizinisch–naturwissenschaftlichen Fakultät. Sie ist die erste und einzige Chamerin, die dort in der Zeit von 1833 bis 1924 Medizin studiert und nach Ernestine Werder (1880–1956), die sich 1908 für das Studium der italienischen Sprache immatrikuliert hat, die zweite Chamerin an der Universität Zürich überhaupt. [5]

1913 Leonie Kopp übergibt der Sammlung für Völkerkunde des Basler Museums einen Schöpfrechen. [6]

1914 Leonie Kopp wird Unterassistentin des anatomischen Instituts der Universität Zürich. [7]

1917 Frl. cand. med. Leonie Kopp besteht das medizinische Staatsexamen mit ausgezeichnetem Erfolg. [8]

1918 Sie verlässt die Universität. [9]

1920 Ärztin Leonie Kopp praktiziert in Weesen SG im Kurparkhotel. So ermöglicht die eidgenössisch diplomierte Ärztin dem Naturarzt Hans Oskar Kurfürst (1882–1940) eine medizinische Praxis zu führen. [10]

1921 Leonie Kopp wird vom Bezirkggericht Gaster wegen Gehilfenschaft zur unerlaubten Ausübung der ärztlichen Tätigkeit zu 50 Franken Busse verurteilt (vgl. unten: Kopps Tätigkeit als Ärztin im Kurhotel Weesen).

Leonie Kopp wird die Doktorwürde der Universität Zürich verliehen. [11] Ihre Dissertation trägt den Titel «Die Sklerotomie in der Behandlung des fantilen Glaukoms». [12]

Ende des gleichen Jahres erhält sie in Biel-Madretsch die Bewilligung zur Berufsausübung im Kanton Bern. [13]


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Inserat der aus Cham stammenden Ärztin Leonie Fanny Kopp im Journal du Jura 1922


1922 Dr. Leonie Kopp ist in diesem Jahr und in den zwei Folgejahren im Bernischen Staatskalender unter den patentierten Ärzten aufgeführt. [14] Leonie Kopp schaltet ein Inserat im Journal du Jura. Sie arbeitet als Allgemeinmedizinerin und Frauenärztin.[15]

1929 Léonie Kopp stirbt am 1. März im 37. Altersjahr nach längerer Krankheit an den Komplikationen einer Grippe. [16]


150420 Todesanzeige für die in Cham aufgewachsene Ärztin Leonie Kopp.png

Todesanzeige für Leonie Kopp, März 1929

Kopps Tätigkeit als Ärztin im Kurhotel Weesen

Hans Oskar Kurfürst hatte Medizin studiert, aber nicht abgeschlossen und besass deshalb keine Berechtigung zur Führung einer Arztpraxis. Trotzdem praktizierte er seit 1907 offenbar erfolgreich als Arzt. Zu seinen Patienten gehörten bekannte Persönlichkeiten, aber auch Menschen aus allen sozialen Schichten. Kurfürst wird in einem Nachruf, den ein Arzt verfasst hat, als wohltätiger Mensch und als weitherum bekannter homöopathischer Arzt beschrieben. [17]

1920 wird Kurfürst die ärztliche Tätigkeit im Kanton Glarus verboten. Kurfürst erwirbt darauf das Kurparkhotel im Weesen für 300'000 Franken und stellt Leonie Kopp als Ärztin ein. So meint er, mit einer diplomierten Ärztin im Betrieb, weiter praktizieren zu können. Das Burgdorfer Tagblatt bezeichnet Leonie Kopp als «Strohfrau», die es dem «Kurpfuscher Kurfürst» ermögliche, seine Tätigkeit weiterzuführen. Sie beziehe ein Jahresgehalt von 10'000 Franken und habe freie Station.

Zu den Abläufen im Kurhotel Weesen schreibt das Burgdorfer Tagblatt: «Die Menschen strömten natürlich wiederum in großen Massen zu dem "berühmten Heilkünstler", wo sie zuerst ins Zimmer seiner Assistentin geführt wurden. Nebenbei führte sie der Weg dann auch noch zu Kurfürst selbst, der dann in seiner Art die Diagnose stellte und ziemlich harmlose, aber nichtsdestoweniger kostspielige "Gütterli" verordnete». [18]

1921 verurteilt das Bezirksgericht Gaster Kurfürst wegen unbefugter Ausübung der Heilkunde, die indessen keinen Nachteil für Gesundheit und Leben anderer bewirkt habe, zu einer Busse von 300 Franken, und Dr. med. Kopp wegen Gehilfenschaft zu 50 Franken Busse unter Zubilligung des bedingten Straferlasses. Die beiden Verurteilten haben zudem 500 Franken von den rund 1500 Franken Untersuchungskosten zu tragen, wovon Kurfürst neun Zehntel und Fräulein Kopp ein Zehntel zufallen. Aus den Verhandlungen geht hervor, «dass Kurfürst mit einem Massenversand von Heilmitteln, den er nebenbei betrieb, allein mindestens Fr. 100'000 jährlich verdiente!» [19]


Würdigung

Ab 1868 nahm die Universität Zürich Frauen auf. Die Schweiz war damit eines der ersten Länder, welches Frauen ermöglichte, Seite an Seite mit den Männern an den Universitäten zu studieren. Um 1900 waren fast alle Studentinnen an den Schweizer Universitäten Ausländerinnen, und bis zu 80 Prozent stammten aus dem ehemaligen Russischen Reich. 1906 machten ein Viertel aller Hochschulabsolventinnen weltweit ihren Abschluss in der Schweiz. Schweizer Frauen blieben jedoch lange Ausnahmeerscheinungen an der Universität. Bis 1914 waren ausländische Studentinnen in der Überzahl. [20] Frauen waren Ende des 19. Jahrhunderts zwar zum Studium zugelassen, doch bis sich ihre Berufsmöglichkeiten in der Schweiz verbesserten, vergingen noch viele Jahrzehnte [21]

In diesem Umfeld war es für Leonie Kopp wohl schwierig, als Ärztin Fuss zu fassen. Dies, obwohl sie beste Zeugnisse hatte und als junge Studentin bereits nach zwei Studienjahren zur Assistentin an der Universität Zürich berufen worden war. Deshalb hat sie wohl in der Zusammenarbeit mit dem Naturarzt Hans Oskar Kurfürst eine berufliche Chance gesehen, die mit ihrer Verurteilung schnell zur Falle wurde.

Kopp zog dann nach Biel weiter und eröffnete dort eine Praxis. Sie schaltete Inserate für ihre Praxis. Allerdings erscheint sie nur bis 1924 im Verzeichnis der im Kanton Bern patentierten Ärzte. Dann verliert sich ihre Spur bis sie 1929 an der Folgen einer kompliziert verlaufenden Grippe stirbt.


Einzelnachweise

  1. https://www.matrikel.uzh.ch/active/static/26616.htm [Stand. 24.11.2024]
  2. Schweizerisches Handelsamtsblatt (SHAB), Band 17 (1899)
  3. Zuger Volksblatt, 11.04.1899
  4. https://www.matrikel.uzh.ch/active/static/26616.htm [Stand. 24.11.2024]
  5. https://www.matrikel.uzh.ch/active/static/26616.htm [Stand. 24.11.2024]
  6. Fritz Sarasin, Bericht über die Sammlung für Völkerkunde des Basler Museums für das Jahr 1913, S. 335
  7. Amtliches Schulblatt des Kantons Zürich, Band 29 (1914), S. 104
  8. Neue Zürcher Nachrichten, 14.12.1917
  9. https://www.matrikel.uzh.ch/active/static/26616.htm [Stand. 24.11.2024]
  10. Neue Zürcher Nachrichten, 06.08.1940
  11. Neue Zürcher Zeitung, 22.06.1921
  12. Amtliches Schulblatt des Kantons Zürich, Band 36 (1921), S. 160
  13. Bieler Tagblatt, 28.12.1921
  14. Bernischer Staatskalender 1922, S. 256
  15. Journal du Jura, 10.03.1922
  16. Neue Zürcher Zeitung, 03.03.1929, Ausgabe 02
  17. Neue Zürcher Nachrichten, 06.08.1940
  18. Burgdorfer Tagblatt, 12.03.1921
  19. Burgdorfer Tagblatt, 12.03.1921
  20. https://www.swissinfo.ch/ger/gesellschaft/als-frauen-die-schweizer-unis-eroberten/47645774 [Stand: 25.11.2024]
  21. https://eduwo.ch/bildungsmagazin/erste-frau-studierte-an-der-universitaet-zuerich/, [Stand: 25.11.2024]