Rüttimann Katharina (ca. 1700–ca. 1774)

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Geschlecht: weiblich
Abweichende Namensform: Chamer Weib

Die Krämerin Katharina Rüttimann war in der Stadt Zug unter dem Namen «Chamer Weib» bekannt. Als Chamerin und Untertanin war ihre wirtschaftliche Freiheit eingeschränkt. Sie betrieb neben ihrem Geschäft in Cham in der Stadt Zug eine illegale Filiale und geriet als Hausierein immer wieder mit dem Zuger Rat und den Zuger Händlern in Konflikt. Nach 1774 verliert sich ihre Spur.




Stationen

ca. 1700 Katharina Rüttimann wird geboren. Das Geburtsjahr und der Geburtsort sind nicht bekannt.

1729 Der Zuger Stadtrat verfügt, dass in den Vogteien, also auch in Cham, an Sonn– und Feiertagen während des Gottesdienstes keine Waren angeboten werden dürfen. [1]

Eine Krämerin von Cham, möglicherweise ist es die später als «Chamer Weib» [2] bekannte Katharina Rüttimann, beschwert sich mit Beistand des Obervogts über dieses Mandat. Der Zuger Rat gibt nach und lockert die Verordnung, damit die weit entfernten Bauern das Notwendige einkaufen können. Die Krämerin darf an Sonn- und Feiertagen verkaufen. Ausgenommen bleiben alle Marienfeste und die hohen Fest- und Feiertage. [3]

1745 Der Zuger Stadtrat verlangt, dass die Krämerin von Cham wöchentlich den Pfundzoll entrichten soll. [4]

1750 Der Zuger Krämer («gewirbs-leüth») klagen, das Chamer Weib werbe ihnen Kunden ab. Die Hausiererin habe beispielsweise angeboten, jedes Schnupftuch 3 Schilling billiger zu verkaufen. Der Stadtrat beschliesst, dass die Chamerin weder hausieren noch in Zug ein Warenlager unterhalten dürfe. Bei Zuwiderhandlung werden ihre Waren arrestiert. Wenn ein Zuger Burger jedoch etwas bei ihr bestellt, darf sie es liefern. [5] Es stellt sich pikanterweise heraus, dass die verdeckte Filiale im Haus einer städtischen Amtsperson untergebracht ist, nämlich bei Josef Brandenberg, Pfleger von St. Wolfgang. [6]

Darauf beschwert sich Pfleger Josef Brandenberg. Der Zuger Stadtrat sucht nach einem Kompromiss: Wenn jemand von der Krämerin im eigenen oder in Brandenbergs Haus Waren verlangt, darf sie die Waren geben. Aber weder sie noch andere fremde Krämer dürfen zum Nachteil der städtischen Gewerbetreibenden ein Warenlager unterhalten. [7]

Zwei Monate später wird die Chamer Krämerin wieder vor den Rat geladen. Sie beteuert, sie spreche niemanden an und beim städtischen Markt jeweils an den Dienstagen habe sie keine Auslage. Sie verkaufe nur, was von ihr verlangt werde. Der Stadtrat verordnet, dass die Krämerin dem Umgeldner melden müsse, wer die Ware bestellt habe, wenn sie zwischen den Jahrmärkten mit Waren nach Zug komme. [8]

1754 In der Stadt Zug steht die Zollerin unter Arrest. Sie habe mit Hilfe der Chamer Krämerin und anderer Teile ihres Hausrats «verschleickht», verkauft und zu Geld gemacht, ohne Wissen und Einwilligung ihres Mannes. [9] Das «Chamer Weib» wird mit vier Stunden Turmhaft bestraft und zur Beichte verdonnert. [10] Die Zollerin wird im Rathaus eingesperrt und in allen Kirchen als «übelhauserin» verrufen. [11]

1762 Wieder klagen die Zuger Gewerbetreibenden, die Krämerin von Cham füge ihnen grossen Schaden zu. Sie entrichte auch kaum den erforderlichen Pfundzoll. Der Zuger Stadtrat verbietet der Beschuldigten zwischen den Jahrmärkten Waren anzubieten und zu hausieren. [12]

Die Chamer Krämerin rechtfertigt sich: Sie entrichte den Pfundzoll regelmässig. Betreffend der Warenablage in Zug erklärt sie, sie webe und handle und verkaufe allerhand Tuchwaren in die Fremde. Diese Waren liefere sie in Zug an die Handelsleute aus.

Die Zuger Gewerbetreibenden bitten, man möge sie bei ihren burgerlichen Freiheiten schützen. Sie offerieren, jene Waren, welche sie für den Zwischenhandel von Fremden kaufen, dem Umgeldner anzugeben und dafür ordnungsgemäss den Pfundzoll zu bezahlen. Es gebe noch andere fremde Krämer, die ebenfalls in Zug Läden hätten und ihnen grossen Schaden zufügten.

Der Zuger Stadtrat bestätigt die früheren Ratsbeschlüsse. Ausser an Jahrmärkten müsse das Chamer Weib ihren Laden geschlossen halten. Der Umgeldner und die Gewerbetreibenden sollen Verstösse dem Rat anzeigen. [13]

1764 Jakob Bernhard Moos und Leutnant Steinmann klagen am 15. Dezember, das «Chamer Weib» missachte sämtliche Ratsbeschlüsse, indem es in der Stadt andauernd hausiere und krämere. Der Rat muss erneut die bisher gefassten Beschlüsse bekräftigen (die er aber offensichtlich nicht durchsetzen kann). Eine Warenablage wird der Chamer Krämerin verboten, ebenso das Hausieren und das Feilbieten von Waren an den Markttagen. [14]

1765 Das Chamer Krämerin wird von Zuger Gewerbetreibenden, die ihr aufgelauert haben, auf frischer Tat ertappt, als sie ungerufen im Haus von Adam Weiss mit Spitzen hausiert. Durch ihr Treiben werde dem Zuger Burger «der schilling vor dem maul» weggenommen. Der Zuger Rat droht mit der Konfiskation aller Waren, falls sich das «Chamer Weib» weiter erfrechen sollte, Waren anzubieten, zu hausieren oder in der Stadt ein Warenlager zu unterhalten. Zudem erhält sie eine Busse von 10 Gulden, wobei der Denunziant die Hälfte des Bussgeldes erhält. [15]

Eine Woche später entschuldigt sich die Chamerin beim Rat. Sie habe der Vorladung nicht aus Bosheit nicht Folge geleistet, sondern aus Not und wegen dringender Geschäfte. Sie verspricht, die Anordnungen des Stadtrats zu befolgen und bittet um Gnade. Der vor acht Tagen gefasste Ratsbeschluss wird aber bestätigt. Weil die Frau die Waren noch nicht weggeführt und sich damit weiterhin ungehorsam gezeigt habe, muss sie 4 Pfund Busse bezahlen. Bis am 21. Januar muss das Warenlager aufgelöst sein. [16]

Am 16. Februar bittet die Chamerin um Herausgabe der konfiszierten Waren und um Linderung der Strafe. Sie muss dem Denunzianten die festgesetzten 5 Gulden geben und die Busse bezahlen. [17]

Am gleichen Tag klagen junge Zuger Gewerbetreibende, das Chamer Weib habe erneut hausiert. Als Beweis bringen sie beschlagnahmte Spitzen vor. Die Beschuldigte entgegnet, sie sei wegen Spitzen in das Haus gerufen worden, was ja erlaubt sei. Die Ankläger erwidern, die Chamerin namens «Cathri» [Katharina] sei im Haus von Adam Weiss, der keine Spitzen verlangt habe, ertappt worden. Sie habe die Spitzen im Sack von Adams Tochter verstecken wollen und ihnen, den Klägern, nach der Überführung Schweigegeld angeboten. Nach weiteren ernstlichen Befragungen gesteht die Frau, dass sie die Frau Spitalvogt ersucht habe, im Falle von Nachfragen zu sagen, sie habe die Spitzen bestellt. Der Stadtrat ordnet an, der Ratsbeschluss vom 12. Januar sei nun zu vollziehen. Die Krämerin wird wegen ihrer Lüge hart zurechtgewiesen. [18]

Acht Tage später werden der Chamer Krämerin nach ihrem untertänigen Bitten die konfiszierten Waren wieder ausgehändigt. [19]

1768 Bonaventura Schell und David Moos klagen, die «Rüttimannin», das sogenannte Chamer Weib, missachte die alten Ratsbeschlüsse und unterhalte in der Stadt Zug wieder ein Warenlager, diesmal in Pfleger Wickarts Haus. Katharina Rüttimann rechtfertigt sich, sie habe nur bestellte Waren verkauft. Der Stadtrat lässt es bei seinen früheren Beschlüssen bewenden. Pfleger Wickart wird untersagt, ihr weiter Unterschlupf zu gewähren. Das Weib selbst solle sich in Acht nehmen. [20]

1774 Die Krämerin Rüttimannin in Cham soll wegen ihres liederlichen Lebenswandels sowohl in Zug als auch in Cham verrufen werden. [21]


Würdigung

Bis 1798 war Cham ein Untertanengebiet der Stadt Zug. Zur wirtschaftlichen Situation im 18. Jahrhundert schreibt der Zuger Historiker Peter Hoppe (*1946): «In der Stadt und ihren Vogteien - verfolgte die Obrigkeit einen dirigistischen Kurs, der in landesväterlicher Manier alles zu kontrollieren und zu steuern suchte. Eckpfeiler dieser Politik waren die Sicherung einer ausreichenden Landesversorgung und der Schutz der städtischen Interessen, Einrichtungen und Märkte vor unliebsamer Konkurrenz. [...]

Ansonsten aber wachten die städtischen Zünfte und die in ihnen zusammengeschlossenen Berufsgruppen eifersüchtig darüber, dass ihnen die ungeliebte Konkurrenz nicht auch noch in den Zeiten zwischen den Märkten «den Schilling vor dem Maul wegnahm». Dementsprechend war das Hausieren in der Stadt und in den städtischen Vogteien - anders als in den Landgemeinden des Äusseren Amtes - im Prinzip verboten. [...]

Ausnahmen gab es nur für Waren, die das städtische Gewerbe nicht im Sortiment hatte. Die Notwendigkeit, diese Verbote immer wieder von neuem auszusprechen, und die ständigen Klagen der Zünfte zeigen aber mit aller Deutlichkeit, dass sich diese Form der Versorgung, bei welcher der Einzelhändler sein Angebot [...] direkt zur Kundschaft nach Hause brachte, nicht ausrotten liess und offenbar auch sehr beliebt war. Die gewitztesten Krämer hatten sogar Musterbücher dabei, aus denen sich bequem bestellen liess. Hausiert wurde im Übrigen mit allem, was sich nur denken liess. [...]

Die kaufkräftige städtische Kundschaft war für auswärtige Gewerbetreibende mit ihrem kleinen Heimmarkt attraktiv, aber ebenso sehr war dieser Sog ins städtische Marktzentrum hinein auch nachfragebedingt. Ohnehin gewinnt man den Eindruck, dass viele städtische Konsumenten - und vielleicht noch mehr Konsumentinnen! - das Angebot der auswärtigen Marktteilnehmer weniger als verhasste Konkurrenz denn als Bereicherung empfanden - sicher mit ein Grund, weshalb letztere immer wieder Kundschaft und auch Unterschlupf und Unterstützung fanden.» [22]

Das «Chamer Weib» hat der städtischen Obrigkeit und den Stadtzuger Gewerbetreibenden die Stirn geboten. Es hat den Sonntagsverkauf in Cham erstritten und die Stadt Zug zu seinem Marktgebiet gemacht, allen Ermahnungen und Bussen zum Trotz. Die Chamer Krämerin war Kämpferin für einen freien Handel, primär wohl aus eigenen wirtschaftlichen Interessen.


Einzelnachweise

  1. Hoppe, Peter, Märkte unter freiem Himmel. Funktion, Häufigkeit und wirtschaftliche Bedeutung der öffentlichen Märkte in Zug, in: Zug erkunden. Bildessays und historische Beiträge zu 16 Zuger Schauplätzen, Zug 2002, S. 102f.
  2. Weib ist die damals übliche Bezeichnung für eine erwachsene Frau und hat keine abwertende Bedeutung, Schweizerisches Idiotikon, Bd XV 137
  3. Bürgerarchiv Zug, A 39.26.20.271, Ratsprotokolle der Stadt Zug 1729–1730, S. 117 (11.06.1729)
  4. Bürgerarchiv Zug, A 39.26.27.1039, Ratsprotokolle der Stadt Zug 1743–1745, fol. 121r (06.03.1745)
  5. Bürgerarchiv Zug, A 39.26.28.1931, Ratsprotokolle der Stadt Zug 1746–1750, fol. 208r (31.01.1750); A 39.26.28.1942, fol. 209v (07.02.1750)
  6. Vgl. Anmerkung 1 (Hoppe), S. 104
  7. BüA Zug, A 39.26.28.1950, Ratsprotokolle der Stadt Zug 1746–1750, fol. 210v (14.02.1750)
  8. Bürgerarchiv Zug, A 39.26.28.2074, Ratsprotokolle der Stadt Zug 1746–1750, fol. 222r (24.04.1750)
  9. Bürgerarchiv Zug, A 39.26.29.1533, Ratsprotokolle der Stadt Zug 1751–1754, fol. 199v (04.02.1754)
  10. Bürgerarchiv Zug, A 39.26.29.1537, Ratsprotokolle der Stadt Zug 1751–1754, fol. 200v (07.02.1754)
  11. Bürgerarchiv Zug, A 39.26.29.1506, Ratsprotokolle der Stadt Zug 1751–1754, fol. 194v (26.01.1754)
  12. Bürgerarchiv Zug, A 39.26.31.803, Ratsprotokolle der Stadt Zug 1761–1768, fol. 63r, 11.12.1762
  13. Bürgerarchiv Zug, A 39.26.31.809, Ratsprotokolle der Stadt Zug 1761–1768, fol. 63r (18.12.1762)
  14. Bürgerarchiv Zug, A 39.26.31.1808, Ratsprotokolle der Stadt Zug 1761–1768, fol. 163r (15.12.1764)
  15. Bürgerarchiv Zug, A 39.26.31.1848, Ratsprotokolle der Stadt Zug 1761–1768, fol. 166v (12.01.1765)
  16. Bürgerarchiv Zug, A 39.26.31.1858, Ratsprotokolle der Stadt Zug 1761–1768, fol. 168r (19.01.1765)
  17. Bürgerarchiv Zug, A 39.26.31.1893, Ratsprotokolle der Stadt Zug 1761–1768, fol. 171r (16.01.1765)
  18. Bürgerarchiv Zug, A 39.26.31.1891, Ratsprotokolle der Stadt Zug 1761–1768, fol. 170v (16.02.1765)
  19. Bürgerarchiv Zug, A 39.26.31.1902, Ratsprotokolle der Stadt Zug 1761–1768, fol. 171v (23.02.1765)
  20. Bürgerarchiv Zug, A 39.26.32.32, Ratsprotokolle der Stadt Zug 1768–1772, S. 8 (23.01.1768)
  21. Bürgerarchiv Zug, A 39.26.33.430, Ratsprotokolle der Stadt Zug 1773–1779, S. 61 (05.03.1774)
  22. Vgl. Anmerkung 1 (Hoppe), S. 100–103